Rias geht, DeutschlandRadio kommt

■ Aus den drei Sendern Rias, DS-Kultur und Deutschlandfunk wird ein kleiner, aber feiner Staatsfunk mit zwei werbefreien Programmen aus Köln und Berlin / Beide Wellen sind in Berlin auf UKW zu hören

Denkt er an den Rias in der Silvesternacht, dann befällt Eberhard Diepgen heftiger Phantomschmerz: „Manchmal tut es mir richtig weh, wenn solch eine Folge der Teilung unserer Stadt verschwindet. Wir sind froh, daß unsere Stadt nicht mehr in vier Sektoren geteilt ist, aber müssen wir uns deshalb gleich freuen, wenn es damit auch nicht mehr den Rundfunk im amerikanischen Sektor geben kann?“ So pathetisch beklagte der regierende CDU-Bürgermeister gestern das Ende des Rias. Der frühere amerikanische Propagandasender („Eine freie Stimme der freien Welt“) geht nämlich am 1. Januar zusammen mit DS-Kultur, einem Ex-Staatsprogramm der DDR, und dem Kölner Bundesradio Deutschlandfunk in einem Gebilde auf. Dies wird DeutschlandRadio heißen und soll mit zwei werbefreien Programmen aus Berlin und Köln für „Integration“ im vereinigten Vaterland sorgen.

Weil die CDU die drei alten Sender nicht der „linken“ ARD zufallen lassen wollte, entstand eine neue Anstalt „unter dem Dach“ von ARD und ZDF. Sie bleibt so staatsnah organisiert wie einst ihre Ausgangsprodukte in Ost und West: Die Kontroll- und Verwaltungsgremien des DeutschlandRadio werden von Parteien- und Regierungsvertretern dominiert. Ein kleiner, aber feiner Staatsfunk.

Die Frage Diepgens, warum man sich über das neue DeutschlandRadio freuen sollte, ist also berechtigt. Aber eben nicht aus nostalgischen Gründen, mit den Tönen der „Freiheitsglocke“ im Ohr. Denn es ist nicht einzusehen, warum die Kalter-Krieg-Sender Rias und Deutschlandfunk nicht ebenso konsequent abgewickelt und föderalisiert wurden wie zum Beispiel das Fernsehen der DDR. Arbeitsplatzsicherung und Besitzstandswahrung mit Siegermentalität, wie linke Kritiker monierten. Und wieso gibt es zwei Programme mit gleichem Profil (Info und Kultur) statt eines gemeinsamen, wenn es doch um die vielbeschworene deutsch-deutsche Zusammenführung gehen soll?

Ärgerlich auch die einjährige Verspätung, mit der der „Integrationsfunk“ antritt. Aufgrund medienpolitischer Machtkämpfe zwischen Köln und Berlin sowie dem Bund und den Ländern wurde der Start immer wieder verschoben. Auch reservieren die Bundesländer ihre wertvollen Radiofrequenzen lieber für den Kommerzfunk, als beiden DeutschlandRadio- Programmen Platz im Äther zu machen. So zahlen die Bürger zwar schon längst Gebühren für den neuen Sender, doch wegen Frequenzmangel wird das Kölner Programm nur von 22 Millionen Hörern zu empfangen sein, der Berliner Teil bloß von 19 Millionen.

Was die Last der politischen Vereinigung im Äther angeht, setzten sich schließlich die Funker am Rhein durch. Die Mauer steht! Der Kölner Deutschlandfunk bleibt eigentlich so, wie er ist, darf sogar in der Unterzeile seinen Namen behalten. Verschmolzen werden in Berlin der Rias und DS-Kultur mit entsprechenden Grabenkämpfen: Mal sollte die DS-Kultur-Chefin als „rote Socke“ kaltgestellt werden, mal kündigte empört ein Rias-Literaturredakteur und früherer Republikflüchtling, mal durfte ein kritisches Treuhand- Feature nicht gesendet werden.

Am meisten inhaltlich bluten muß freilich das „elitäre“ DS-Kultur-Programm, das sich schlecht auf die neuen Magazin-Schienen des Berliner DeutschlandRadio- Ablegers setzen läßt, die sich der Rias ausgedacht hat.

Kommissarischer Intendant des DeutschlandRadios ist bis zum Frühjahr der ZDF-Intendant Dieter Stolte, als erster richtiger Intendant ist der ARD-Journalist Ernst Elitz („Pro und Contra“) im Gespräch. Was das Führungspersonal des neuen Senders angeht, wird – wie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk üblich – mit einem strengen Parteienproporz gerechnet. Die Beschäftigtenzahl der drei Ursprungssender soll sich auf 710 Planstellen mehr als halbieren. kotte