■ Press-Schlag
: Vom Fußball zur Feldschlacht

Wenn die Bundeswehr für ihr Kriegshandwerk mit dem erfolgreichen Rennrodler Georg Hackl wirbt, dann ist das keine Erscheinung der Neuzeit. Das Militär hat seit jeher versucht, den Sport für sich zu vereinnahmen. Was in der Moderne mit den klassischen Sportarten Fechten, Schwimmen und Turnen begann, setzte sich zur Jahrhundertwende mit den Spielsportarten fort. Am 22. Januar 1893 referierte in der Sitzung des „Zentral-Ausschusses zur Förderung der Jugend- und Volksspiele“ der Geheime Sanitätsrat Dr. Graf zur Frage: „Inwiefern nützen die Jugend- und Volksspiele der Armee?“ Die Antwort gab keinen Zweifel: “...kluge Berechnung, Benutzung kleiner Vorteile, rascher Entschluß, Energie und Ehrgeiz – sie werden geweckt und gepflegt, und die Disziplin, die Unterordnung des einzelnen und das Zusammenwirken ganzer Massen zu einem einheitlichen Zwecke werden hier gelernt und geübt.“

Die Sorge um den Rückgang der Wehrtüchtigkeit ließ die Amtsträger des kaiserlichen Deutschlands nach Gegenmaßnahmen forschen. Nach der Jahrhundertwende galt gerade der Fußballsport als der Wehrsport par excellence. „In der Feldschlacht muß der Mann aber im dichtesten Kugelhagel heran an den Feind, koste es, was es wolle. Welch prächtige Vorübung hierfür durch die Einführung des Fußballs in meiner Kompanie gewonnen wurde, weiß ich aus dreijähriger Erfahrung. (...) Der Körper gelangt im wahrsten Sinne des Wortes spielend zu seiner vollkommenen Beherrschung“, so ein Kompaniechef.

Wehrertüchtigung wurde nicht als Nebeneffekt des Spiels betrachtet, sondern als sein einziger Sinn und Zweck. Als während des Ersten Weltkrieges der zivile Spielbetrieb fast völlig zum Erliegen kam, wurden die Kompanie- und Regimentsmeisterschaften im Hinterland weiter ausgetragen. Schließlich mußte die abgekämpfte Truppe physisch und psychisch wieder hergestellt werden. Der Sport ist also schon weit vor den Nationalsozialisten funktionalisiert worden. Doch erst unter ihnen ist endgültig die Vergabe von Medaillen zum Beleg für die Stärke einer Nation geworden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat es eine Weile gedauert, bis sich das Militär wieder an den Sport heranmachte. Die allgemeine Wehrpflicht ist damit eng verknüpft, in allen Ländern der Welt. Mit der zunehmenden Ausweitung und Professionalisierung des Sports war die Zeit der Militärs wieder gekommen. Der autonome Sport hatte seine Grenzen erreicht. Die Idee des DSB, sogenannte Olympiastützpunkte einzurichten, wurde letztendlich von der Bundesregierung 1985 aufgegriffen. Ziel der Regierung war es offensichtlich, die Zuständigkeit für den Sport aus dem Bundesinnenministerium auszulagern. Wohin, das wurde nie explizit ausgesprochen, aber es wird daran deutlich, daß der Etat zur Sportförderung des Verteidigungsministeriums 1986 erstmals höher als der des Innenministeriums war. Dazu paßt die Tatsache, daß immer mehr Olympiastützpunkte bei der Bundeswehr eingelagert werden, Warendorf machte den Anfang. Die Beweggründe dafür haben sich verlagert, aber keineswegs verändert. Dem scheinheiligen Gejammer über die ehemaligen sozialistischen Staatsamateure zum Trotz: Die wehrdienstleistenden Spitzensportler repräsentieren die Bundesrepublik als Gesellschaftssystem. Und – was genauso wichtig ist – mit ihren sportlichen Spitzenleistungen erhöhen sie die Akzeptanz der Bundeswehr. Doch nicht alle legen Wert auf einen Klaps von Verteidigungsminister Rühe. Boris Becker hat diskret „totalverweigert“ und ist nach Monaco gezogen. Matthias Kittmann