■ Wladimir Schirinowski wird Persona non grata
: Spiel nicht mit dem Schmuddelkind

Es ist wie in jeder anständigen Familie: Sie hält sich die ungeliebten Zeitgenossen verschämt vom Leibe. Je größer die Distanz, desto geringer die Notwendigkeit, sich mit den möglichen Störenfrieden befassen zu müssen. Hat sich eine dieser Gestalten dann trotzdem den Zugang ins heimische Wohnzimmer verschafft und hat der Eindringling die Gelegenheit so richtig genutzt, sich selber in Szene zu setzen, hat er am Ende auch noch Vater und Mutter angepöbelt – wer wird es einer Familie verübeln wollen, wenn sie den unerwünschten Gast fortan nicht mehr über die Türschwelle läßt.

Wer sich so aufführt wie Herr Schirinowski, der muß draußen bleiben. Den eigenen Kindern, die dennoch, wie unartig, mit dem Fremdling spielen wollen, werden die Ohren langgezogen, es droht ihnen Hausarrest. Wenn überhaupt, dann kann man sich nur noch fernab des elterlichen Hauses treffen. Gerhard Frey, du spielst nicht mit dem Schmuddelkind! Freunde und Verwandte werden vor dem Ungehörigen gewarnt – in der Abgrenzung von dem Fremden liegt auch ein Moment der Selbstvergewisserung. Wer im Dorf den Störenfried dennoch empfängt, der läuft Gefahr, sich zu isolieren und aus der dörflichen Gemeinschaft ausgegrenzt zu werden. Manchmal, so scheint es, funktioniert Politik wie das richtige Leben.

Drei Wochen lang jeden Tag Schirinowski im Fernsehen, die ständigen Verbrüderungsszenen mit den diversen deutschen Alt- und Neonazis, die gebetsmühlenartigen rassistischen und nationalistischen Sprüche, das dumme Geplapper, daß Königsberg wieder heim ins Reich muß – Kinkel sei Dank, es bleibt uns erspart. Ganz wie ein guter Vater hält Kinkel dem Staate fern, was diesen in Verruf bringen könnte. Ihn treibt die Angst um das Ansehen der Bundesrepublik in der Welt. Auch nach den Pogromen in Rostock und nach den Morden in Mölln und Solingen fürchtete der Außenminister in erster Linie um den guten Ruf der Republik. Darüber hinaus erweist Kinkel mit dem Einreiseverbot für Schirinowski seinem russischen Freund Boris Jelzin die Referenz, indem er ihm hilft, dessen über Nacht aufgetauchten innenpolitischen Kontrahenten international zu isolieren.

Der praktische Wert des verhängten Einreiseverbotes hingegen ist ziemlich gering. Im Zweifelsfall wird es sich kaum durchsetzen lassen. An der Grenze außen vor waren in den vergangenen Jahren auch der britische Revisionist David Irving und aus den Vereinigten Staaten der Neonazi Garry Laucks, der seit Jahren per Post die bundesdeutsche Naziszene mit NS-Propagandamaterial versorgt. Die Einreiseverbote konnten beide nicht hindern, sich in der Bundesrepublik mit den Führern der Neonazis zu treffen. Und die rechtsextreme Achse Frey–Schirinowski wird an dem Kinkel-Erlaß ohnehin nicht brechen.

So sehr wir uns darüber freuen dürfen, daß uns der rechte Ultra aus Rußland erspart bleibt, die Kriterien für derartige Entscheidungen bleiben unsichtbar. Als der Chef des iranischen Geheimdienstes, Ali Fallahian – international als Drahtzieher des iranischen Staatsterrorismus gehandelt –, jüngst die Bundesrepublik bereiste, verhängte keiner ein Einreiseverbot. Im Gegenteil: Der Mann reiste als Staatsgast. Wolfgang Gast