piwik no script img

Auf der Suche nach der Mehrheit

■ Serbiens Präsident macht sich an die Regierungsbildung

Wien (taz) – Eine Expertenregierung wird es in Serbien nicht geben. Soviel stehe fest, ließ der Sprecher des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević bereits vor der Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses der Parlamentswahlen vom 12. Dezember verlauten. Wie es jedoch weitergehen wird, das weiß auch Milošević- Sprecher Daćić nicht. Denn nach langer Zähl- und Nachwahl-Akrobatik steht nun seit Dienstag abend endgültig fest: Den bisher allein regierenden Sozialisten fehlen drei Mandate zur absoluten Mehrheit, und ohne die wird das Regieren schwerfallen.

Rein rechnerisch könnten die Oppositionsparteien die Regierungsgeschäfte übernehmen, doch Milošević in seiner Doppelfunktion als Präsident und Parteivorsitzender der Sozialisten, weiß dies geschickt zu verhindern. Sein Sprecher ließ bereits ausrichten, der Präsident plane eine „neue Verfassungsprozedur, um die Art und Weise der Regierungsbildung festzulegen“. Hinter dieser Worthülse versteckt sich, so vermutet die oppositionelle Tageszeitung Borba, der Versuch, nachträglich die Sitzverteilung im Parlament zu verschieben. Anstelle der bisher 250 Abgeordneten könnte die Zahl auf beispielsweise 300 erhöht werden und manch Listenzweiter nachrücken – natürlich nur zugunsten der Sozialisten. – Solche „Spielereien“ sind in Serbien nichts neues. Slobodan Milošević ließ während seiner über vierjährigen Amtszeit bereits dreimal zu seinen Gunsten das Parlament auflösen, Verfassungsänderungen vornehmen und per Dekret bestehende Gesetze außer Kraft setzen.

Diesmal ist der Großmeister des Taktierens jedoch unerwartet in Zugzwang. Anders als erwartet scheiterte die kleine Splitterpartei um den Freischärlerführer Zeljko Raznjatovic Arkan, an der Fünf- Prozent-Hürde und fiel so als Koalitionspartner aus.

Zum anderen weigert sich die Demokratische Partei unter ihrem Zugpferd Zoran Djindjic, anders als im Wahlkampf angekündigt, eine Zusammenarbeit mit den Sozialisten einzugehen. Der ehemalige Studentenführer, der sich bisher einer Zusammenarbeit seiner Partei mit dem Oppositionsbündnis Depos verweigert hatte, strebt nun ebenfalls den Sturz der Sozialisten an. Seine Prognose: Noch werde es Milošević gelingen, eine Minderheitsregierung seiner Wahl zustandezubekommen, „doch spätestens in einem halben Jahr wird wieder gewählt“, weil bis dann das Land „vollends im Chaos versinken wird“. Djindjic voller Optimismus und Wunschdenken: „Der Sieg der Demokratischen Kräfte wird unausweichlich sein – Milošević von der Bildfläche verschwinden.“

Woher die reale Basis einer Machtübernahme kommen soll, gibt der promovierte Philosoph nicht preis, und auch die Ergebnisse einer CIA-Studie, die kürzlich in der New York Times veröffentlicht wurde und die Milošević und sein Regime fester denn je im Sattel sitzen sieht, will er nicht anerkennen. „Die Amis haben schon oft die Entwicklung auf dem Balkan falsch eingesetzt“, so Djindjic, „die irren auch diesmal.“

Stichwahl um Krajina-Präsidentschaft

Der neue „Präsident“ der selbsternannten „Serbischen Republik Krajina“ in Südkroatien soll bei einer Stichwahl bestimmt werden. Wie die Wahlkommission am Dienstag abend mitteilte, habe kein Bewerber die erforderliche absolute Mehrheit der Stimmen erhalten. Für die Stichwahl qualifiziert hätten sich der Hardliner Milan Babić, der auch Bürgermeister des Krajina-Hauptortes Knin ist, und der von Belgrad unterstützte „Innenminister“ Milan Martić. Babić hat im ersten Durchgang 49,27 Prozent der Stimmen erhalten, Martić 25,92 Prozent. Ein Termin für den zweiten Durchgang wurde noch nicht festgesetzt. Karl Gersuny

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen