„Rote Drecksau, du bist zum Abschuß freigegeben“

■ Neuer Neo-Nazi-Terror: Todesdrohungen gegen Schwerbehinderten

Wenn sein Telefon läutet, sind nicht immer gute Freunde am anderen Ende der Leitung. „Rote Drecksau, Du bist zum Abschuß freigegeben. Sieg heil“ - solche Morddrohungen mußte sich Jürgen Brammer in den vergangenen Wochen immer wieder anhören. Oft steht das Telefon die ganze Nacht nicht still. Nach dem Maler Gerhard Lentz (taz berichtete) ist der 39jährige Frührentner der zweite Hamburger, der durch permanente Todesdrohungen von Neo-Nazis tyrannisiert wird.

Die Anrufe begannen Ende Oktober, kurz nachdem der Offene Kanal in Hamburg einen Beitrag Brammers zum Hamburger Aufstand von 1923 ausgestrahlt hatte. Verschiedene anonyme Anrufer beschimpften Brammer als „Juden“- und „Kanackensau“ und kündigten ihm seine baldige Hinrichtung an. Zum bislang letzten Mal meldeten sich die Telefon-Terroristen bei Brammer Anfang dieser Woche. O-Ton des Anrufers: „Ich habe die Ehre, Ihnen das Urteil des Volksgerichtshofes zu verkünden. Sie sind wegen Hochverrats zum Tode verurteilt worden. Das Urteil wird demnächst vollstreckt“.

Brammer stellte am 10. Dezember Strafanzeige gegen unbekannt. Die Beamten des Landeskriminalamtes aber wiegelten ab, Brammers Bitte um Personenschutz wurde abgelehnt. Brammer: „Mir wurde erklärt, ich sollte die Todesdrohungen nicht so wörtlich nehmen. Meine Angst sei zwar verständlich, doch es gebe keine objektiven Anzeichen einer Bedrohung meines Lebens“. Der 39jährige, seit einem Autounfall vor sechs Jahren schwerbehindert, ist deshalb verbittert: „Die tun so, als habe es noch keine Toten gegeben. Wenn die Polizei nicht bereit ist, Menschen vor rechtsradikalen Gewalttaten zu schützen, ist es kein Wunder, wenn immer mehr Antifaschisten sich bewaffnen“. Auch Brammer hat jetzt einen Waffenschein beantragt.

Nicht weniger enttäuscht ist der Frührentner von den Reaktionen seines Vermieters und des NDR. Die Genossenschaft, in deren Wohnung Brammer wohnt, lehnte es ab, ihm zusätzliche Sicherungsmaßnahmen zu finanzieren. Der NDR drehte zwar einen Beitrag für das „Hamburger Journal“ über die Todesdrohungen, strahlte diesen aber nie aus. Als Brammer sich daraufhin an den NDR-Intendanten Jobst Plog wandte, erhielt er von Landesfunkhausdirektor Winfried Scharlau nur die Antwort, es sei „irritierend“, daß Brammer „es für richtig und notwendig“ halte, den Intendanten mit diesem „Problem zu befassen“.

Obwohl niemand den rechtsradikalen Todes-Terror ernstzunehmen scheint, will Jürgen Brammer sich nicht entmutigen lassen. Für den Offenen Kanal hat er jetzt den Film „Nazis – nein danke“ gedreht, in dem er unter anderem die von ihm mitgeschnittenen Drohanrufe präsentiert. „Die Stimmen sollen an die Öffentlichkeit, denn nicht die Opfer, sondern die Täter sollen sich verstecken müssen“.

Marco Carini

„Nazis – nein danke“, Offener Kanal, 31.12., 18 Uhr; 1.1.,11 Uhr. Soli-Konto J. Brammer: Postgiro, BLZ: 20010020, Kto: 333517-200