Streit um Dioxin: Niedersachsen immer wieder ganz vorn

■ Wie Politik vor und hinter den Kulissen gemacht wird

„Dioxin-Grenzwerte festgelegt“, Niedersachsen war am 28.12. ganz vorn in den Schlagzeilen, bundesweit. Immerhin: Alle Industrieanlagen sollen überprüft werden und während in Dortmund sich Krupp/Hoesch damit rühmt, man habe die Dioxin-Werte von 40 Nannogramm auf 4 Nannogramm im Kubikmeter Abgas gedrückt, soll 0,1 Nannogramm in Niedersachsen als Richtschnur gelten. Nicht allerdings als verbindlicher „Grenzwert“, mußte die Pressesprecherin auf Anfrage die gute Nachricht ein wenig korrigieren, sondern ein Landeserlaß legt das Wert als „Zielwert“ fest. Das bedeutet: Es wird in dioxin-verdächtigen Industriebetrieben gemessen und mit jedem Betrieb, der den „Zielwert“ nicht erreicht, sollen Modernisierungsprogramme verabredet werden. Immerhin, denn die Messungen könnten auch in Aluminium- Schmelzanlagen, Zement- und Chemie-Betrieben zu bösem Erwachen führen und die Sinteranlage in Salzgitter hat mit 2,1 Nannogramm (ng) noch das Zwanzigfache des Zielwertes.

In Bremen rieb man sich verwundert die Augen: Vergeblich hatte das Umweltressort versucht, über den Bundesrat und die Umweltministerkonferenz den Dioxin- Grenzwert der Müllverbrennungsanlagen (eben 0,1) auch für Sinteranlagen verbindlich zu machen. Mit Klöckner hatte das Bremer Umweltressort einen Vertrag abgeschlossen, der die 0,1 ng zumindest für 1997 als Ziel formuliert, aber auf die Idee, das in einem landesrechtlich möglichen Erlaß zu regeln und dies pressewirksam zu verbreiten, war man in Bremen nicht gekommen.

Niedersachsens Umweltministerin Griefahn gehe eben einen doppelten Weg: Vor Ort der Erlaß fürs schnelle Handeln, in Bonn der langwierige Versuch, einen für die Branchen differenzierten Dioxin- Grenzwert zu erreichen, erklärte ihre Sprecherin die Doppelstrategie.

Das Protokoll des Bundesratsazusschusses Umwelt liest sich da etwas anders: Der Passus in dem (Bremer) Antrag, die 0,1 als Grenzwert für Sinteranlagen festzuschreiben, wurde abgelehnt zugunsten der vagen Formulierung, die Bundesregierung solle aufgefordert werden, „zu prüfen, welche verbindlichen Grenzwerte für die Hauptemissionsquellen festzulegen sind“. Interessant ist, wer da wie abgestimmt hat. Für den (harten) Bremer Passus waren nur Bremen und Hessen. Eine bunte Koalition verschiedener Länder hatte beantrtagt, die Sache zu entschärfen: die Ampel-Koalition in Brandenburg, Hamburg und Nordrhein- Westfalen, Lafontaines Saarland, Scharpings Rheinland-Pfalz, also alles SPD-Länder. Das schwarze Bayern enthielt sich, immerhin. Gegen den Bremer Antrag auch: das rotgrüne Niedersachsen.

Hat Niedersachsen so im Bundesrat (intern) den Schulterschluß zu den SPD-regierten Ländern mit problematischen Stahl-Werken gesucht, die umweltpolitisch blockieren, um sich dann um so pressewirksamer herauszuputzen? Die Sprecherin des Griefahn-Ressorts kann das nicht sehen. Im ersten Versuch einer Erklärung meinte sie, Bremen habe im Bundesrat nur einen wenig verbindlichen „Zielwert“ beantragt, Niedersachsen mehr gewollt. Auf die Aktenlage verwiesen, nach der Bremen eindeutig einen Grenzwert beantragte, hat das Griefahn-Ressort eine andere Erklärung: Bremen habe den Grenzwert nur für Sinteranlagen beantragt, Niedersachsen wollte mehr.

Nun sind in der Tat alle Industrieanlagen davon betroffen, daß „die Bundesregierung aufgefordert (wird), zu prüfen, welche verbindlichen Grenzwerte für die Hauptemissionsquellen festzulegen sind.“ K.W.