Hypnose oder Hanfkappe?

■ Silvester in der Großstadt - Haustiere im Streß - Herrchen und Frauchen ebenso

Das Problem ist so alt, wie es Silvesterfeiern mit Böllern und Haustierhaltung gibt: Was mache ich nur, damit mein Hund nicht taub wird, die Katze nicht für immer im Kleiderschrank bleibt oder der Wellensittich gar tot von der Stange fällt? Natürlich haben wir, die Tierfreunde der taz, uns für Sie umgehört: Bei relativ unproblematischen Hunden wie dem Wahrheits-Hund Karl kann man das Problem recht offensiv angehen: Er macht jedes Jahr zu Silvester, möglichst noch vor sieben Uhr abends, einen ausgedehnten Spaziergang, bis er erschöpft zusammenbricht. Sein Frauchen schließt ihn dann ins Bade- oder Schlafzimmer ein und geht aus: feiern. Ehrlich gestanden, ist der Hund zweifelsohne heilfroh, daß sie sich die Leute zu Silvester nicht ins Haus lädt. Erfahrungswerte haben gezeigt, daß er kaum jemanden abstoßender findet, als Frauchens angetrunkene Freunde, die dann auch noch völlig schamlos am Lautstärkeregler der Stereoanlage rummachen. Die Kollegin Klaudia B. von Flimmern und Rauschen, seit langem Katzenmutter und jetzt endlich auch stolze Besitzerin eines raufboldigen Mischlingsrüden, verhält sich dagegen ganz häuslich: „Meine Lebensabschnittsgefährtin und ich bleiben schon seit Jahren zu Silvester schön zu Hause, allein schon unsererem Kater zuliebe.“ Der Hund der Kollegin Anita K. aus der Lokalredaktion ist dagegen ein echter Problemfall. Mit zu Hause bleiben und Hundhüten ist es da leider nicht getan. Nachdem er als junger Spund noch unerschrocken hinter den Knallern hergejagt ist, hat er sich irgendwann einmal ernsthaft das Maul verbrannt. Seitdem hat der mittlerweile schon etwas betagte Kerl natürlich Schiß und quetscht sich, während draußen die Raketenkracher pfeifen, unter das Sofa. Trotz seiner beachtlichen Größe. Die Kollegin weiß dem Hund nun damit zu helfen, daß sie ihm einfach ein paar leichte Sedative verabreicht, ihn dann ins Auto packt und ihn – fern von allem Trubel – im Tiergarten oder im Grunewald abstellt. Diese Methode sei durchaus gängig, meint sie. „Aber von den Tranquilizern bin ich mittlerweile abgekommen, denn selbst nach der leichtesten Dosierung schielt mein Hund immer so fürchterlich“, sagt sie. Statt dessen schlägt sie vor, ihn vorher noch großzügig zu füttern. „Dann ist sein Bauch ganz dick und schwer, er denkt in erster Linie ans Verdauen und wird schläfrig.“

Keine schlechte Idee, oder? Dennoch geht nichts über den fachkundigen Rat eines Hundeerziehers. Die erziehen nicht nur Polizei- und Schutzhunde, heißt es in einer Anzeige, sondern auch Tiere für Film und Fernsehen: Ja, er habe schon unglaublich viele Hunde erlebt, die „ernsthaft böllergestört sind“. Aber von Beruhigungsmittel könne er nur abraten. Bestenfalls solle man sein Tier an Ohrenstöpsel gewöhnen. Das eigentliche Problem lauere eigentlich auch noch nach Silvester auf der Straße, wenn die Bengels aus der Nachbarschaft mit ihren letzten Reserveknallern herumzündeln. Und wie steht es mit der schrittweisen Eingewöhnung des Tieres an die Silvesternacht? Wenn man also schon eine Woche vorher jeden Tag einen Schuß aus der Schreckpistole abfeuert? Erst aus 200 Metern Entfernung, dann aus 100 Metern, bis am Ende ein Hochhaus nebenan explodieren könnte, ohne daß das Vieh auch nur mit der Wimper zuckt? „Das wird mit Polizeihunden so ähnlich gemacht, bringt aber nichts für normale Haushunde“, so der Hundepädagoge, „dann gewöhnt sich das Tier wohl an einen einzelnen Knall, aber hier böllern die ja in einer Tour. Außerdem soll der Hund seine Angst vor den Krachern nicht verlieren. Hinterher freundet er sich so weit mit den Dingern an, daß er sie Ihnen auch noch apportiert.“ Er empfiehlt ohnehin: „Auch in den ersten Tagen nach Silvester unbedingt nur mit dem angeleinten Hund Gassi gehen!“

Seitdem wir wissen, daß auch Methoden wie Hypnose oder Bachblüten bei Tieren zu erstaunlichen Erfolgen führen können, sollte man vielleicht auch mal den Naturverfahren eine Chance geben. Es wäre ja gelacht, wenn sich nicht mit Hilfe von Cannabis eine Lösung finden lassen würde? Vielleicht kann man mal den Kollegen Mathias Bröckers fragen. Ob der wohl dem Hund von Anita seine Hanfkappe leihen würde? Die könnte der sich dann ganz weit über seine Schlappohren stülpen. Kirsten Niemann