: Attentat: SS-Großvater als Vorbild
Zwei in Deutschland aufgewachsene junge Kroaten sollen eine Paketbombe an eine aus dem Kosovo stammende Familie geschickt haben / Opfer wurden schwer verletzt ■ Von Dorothee Winden
Berlin (taz) – Eine Tagebucheintragung in einem Schulheft war die entscheidende Spur. Zwei in Deutschland aufgewachsene kroatische Brüder im Alter von 14 und 19 Jahren sollen für den Paketbombenanschlag verantwortlich sein, bei dem am 18. Dezember fünf Mitglieder einer albanischen Familie aus dem Kosovo schwer verletzt wurden. Die Kriminalpolizei Osnabrück hat gestern Haftbefehl gegen beide Brüder erlassen, der Jüngere ist bereits inhaftiert, nach dem 19jährigen Robert Markovcic wird bundesweit gefahndet.
Er wurde zuletzt am 23. Dezember gesehen, dem Tag, als die Polizei die elterliche Wohnung in Frankfurt durchsuchte, weil gegen seinen jüngeren Bruder wegen eines verbalen Angriffs auf einen Türken ermittelt wurde. Dabei fanden die Beamten auch ein Schulheft des 14jährigen, in dem er schreibt, er habe die Paketbombe an die aus dem Kosovo stammende Familie nach Buer bei Osnabrück geschickt. Gegenüber der Polizei schilderte er die Tatvorbereitungen. Im Keller stießen die Beamten außerdem auf die Kampfkleidung der beiden Jungen, die sie bei Wochenendübungen und bei einem Herbsturlaub in Kroatien getragen hätten. Dort hätten sie mit Handgranaten herumhantiert und mit Kalaschnikows geübt, erzählte der Jüngere in einem Verhör bei der Osnabrücker Kripo.
Auch zuhause in Frankfurt verbrachten die beiden Brüder ihre Freizeit mit Kriegsspielen. Mit der Nazi-Kriegsflagge vom Frankfurter Flohmarkt und rechtsradikalen Freunden zogen sie am Wochenende zum Überlebenstraining in den Taunus, schreibt dpa. Robert Marcovcic habe behauptet, in Bosnien Moslems erschossen zu haben. Die Prahlerei mit erfundenen Taten führte dazu, daß er seine Lehrstelle als Werkzeugmeister verlor. Beide Brüder seien als „weit rechts orientiert“ bekannt. Der Jüngere sammelt SS-Symbole, bezeichne sich aber als „unpolitisch“, erklärte der Osnabrücker Kriminalkommissar Karl-Heinz Heuer gegenüber der taz. Er habe gesagt, er würde seinem Großvater hinterhereifern, der im Zweiten Weltkrieg in einer SS-Einheit auf dem Balkan gekämpft habe. Die Osnabrücker Kripo ermittelt noch, ob die Brüder Verbindungen zu rechtsextremen Gruppierungen haben.
Mit Kampfsport sind die beiden Jungen aufgewachsen. Ihr Vater betreibt eine Judo-Schule und unterrichtete seine Söhne jahrelang in Judo, Karate und Taekwondo. Der jüngere Bruder war sogar deutscher Judomeister. Robert sei „vom Vater ganz hart rangenommen worden“, sagt Heuer. Der „Musterschüler“ des Vaters sei schon mal mit blauen Flecken in der Schule aufgetaucht, das Jugendamt schaltete sich ein. „Die, die ihn kennen, würden Robert zutrauen, daß er wie ein Rambo kämpft“, sagt Heuer. Möglicherweise habe sich der Jugendliche nach Kroatien abgesetzt, es gäbe auch einen Hinweis, wonach er sich der Fremdenlegion angeschlossen haben könnte.
Ihre Opfer kannten die mutmaßlichen Täter nicht. Die Adresse der kleinen Kosovo-Albanerin hatten die Brüder aus einer Comic-Zeitschrift für Kinder, in der sie eine Anzeige aufgegeben hatte. Als kurz vor Weihnachten ein Paket eintraf, freuten sich die Kinder über das vermeintliche Geschenk. Es gelang ihnen zunächst nicht, das Radio anzuschalten und sie zogen ihren 32jährigen Onkel zurate. Der stellte, von den Kindern umringt, fest, daß sie die Batterien falsch herum eingelegt hatten. In dem Moment, als er die Batterien richtig einlegte, explodierte der Plastiksprengstoff der Radiobombe. Dem Onkel wurde dabei eine Hand und Finger der anderen Hand abgerissen. – In dem handschriftlichen Begleitbrief heißt es: „Liebe Nexi, ich habe zwar keinen Computer, dafür schenke ich dir einen Weltempfänger, ich habe zwei davon ...“ Unterzeichnet ist der Brief von Melanie P., 13 – ein Name, der unter einer anderen Anzeige auf der gleichen Seite gestanden habe, sagt Heuer. Es sei „unüblich“, daß Paketbomben Begleitschreiben beigefügt werden. Dies fände er „sehr makaber“ und beweise die außergewöhnliche Brutalität der Täter.
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