Halbe Laune, trotzdem lustig

■ Silvesterbummel: „Das Allerletze“ im Schauspielhaus, Vermischtes in der Markthalle, Kneipengesänge auf dem Kiez

Dieses Jahr hat es in der Heide bei weitem nicht so geknallt, wie in den Jahren davor. Lag das am feuchten Wetter, an der inneren Ruhe der Menschen oder an den knapperen Kassen? Die gleiche Frage stellt sich beim massenhaften Zu-Hause-Bleiben. Große Parties mußten vorab abgesagt werden (Messehallen) und auch wohl besetzte Kulturveranstaltungen, wie etwa in der Markthalle, zogen nur wenige hundert Getreue an. Dabei ist das Fernsehprogramm nicht besser geworden, die Privatparties sicherlich auch nicht, und die Sehnsucht nach ausgelassener Gemeinsamkeit kann doch, empirisch betrachtet, gerade in globalen Krisenzeiten nur heftiger werden.

Wie dem auch sei, wer sein Silvester heuer rund um den Hauptbahnhof verlebte, dem war Abwechslung gewiß. In der Kantine des Schauspielhauses etwa, wo ein gutgelauntes Ensemble Das Allerletzte bot und Tränen gelacht wurden. Michael Wittenborn las Allerbestes aus Pardons Heft im Heft „Welt im Spiegel“, Anne Bennent sang den burlesken Zungenbrecher „Ta Katie t'a quitté“ und prustete Schaumwein in die ersten Reihen, Jewgenij Sitochin kämpfte mit aufspringenden Stoffröhren, und Bernhard Schütz als liederlicher Koch zerdepperte einen Stapel Teller und macht den Niederrheiner nieder. Man sang, las, spielte Sketche und erzählte Witze, und nach über zwei Stunden verabschiedete sich das knappe Dutzend mit „Always look on the bright side of life“ von seinem vor Begeisterung erschöpften Publikum.

Während auf dem Hauptbahnhof Junkies, Berber und Polizisten sich und den Gästen und Passanten ein „schönes 1994“ (oder wie man auch hörte: „Happy You Near“) wünschten, war die Stimmung in der Markthalle beim großen Glas'z-Showdown eher gedrückt. Zu wenige zahlende Gäste, deswegen wohl doch keine neue Kulturzeitschrift für Hamburg? Zur Mitternacht sprang dann ein überfrohes Mädchen vor der Halle herum und infizierte die Umstehenden mit der Drohung, daß nun das beste von allen Jahren käme. Das Flying Toaster Quartet multiplizierte diese launige Initialzündung anschließend im Foyer mit allerbestem Trash-Soul-Rockabilly, der weiter Beachtung verdient, während die versprengte Johanneums-Clique im Großen Haus den Zimmermännern ihre Aufwartung machte. Während die Butterbass-DJs Holger In't Veld und Volker Marquard mit bester Musik leider nur die wenigsten begeisterten (falsche Klientel?), rauschten die Swamp Zombies mit halber Laune und trotzdem lustig durch die Musik- und Cover-Versions-Geschichte. „Anarchy in the U.K.“, „Interstellar Overdrive“ oder „Purple Haze“ als Frohe Botschaft und „99 Luftballons“ in unserer Muttersprache in Gedichtform, das war hübsch.

Launige Fünf Freunde dann wieder im Foyer, wo diejenigen, die nicht gerade zungenküssten, aber doch noch Alex Chilton sehen wollten, aushielten - irgendwann in den frühen Morgenstunden muß er dann wohl noch aufgetreten sein. Auf dem Heimweg dröhnte es dann zur Schallplatte hundertkehlig aus einer St. Pauli-Kneipe „Keine Atempause, Geschichte wird gemacht“. Das war vor Jahren, fällt einem da ein. Und dann gab es doch noch etwas Lustiges im Fernsehen: Johnny Depp, Iggy Pop und andere krude Gestalten in dem Rock'n'Roll-Quatsch Cry Baby. Um fünf Uhr ging das Licht aus, das Jahr konnte beginnen. Till Briegleb