Mit Kasperle im Keller fing es an

■ Dietmar König wurde 1993 mit dem Boy-Gobert-Preis als bester Nachwuchsschauspieler ausgezeichnet / Ein Portrait

Er wirkt wie der nette Junge von nebenan. Höflich, bescheiden, hilfsbereit. Sanft fallen ihm die braunen Locken in die Stirn, die blauschwarzen Augen lächeln freundlich. Kein Polterer, eher ein Grübler ist er, der nun zum Sprung in den Theaterhimmel ansetzt.

Doch Dietmar König, 24, der 1993 mit dem Boy-Gobert-Preis, der mit 10.000 Mark dotiert ist, für den besten Nachwuchsschauspieler ausgezeichnet wurde, ist ein Mann mit klaren Vorstellungen von seinem Beruf. Nie würde er zu Karrierezwecken den Affen machen, oder sich, wie einst Robert de Niro 20 Kilo, anfressen. Die totale Identifikation mit der Rolle lehnt er ab. „Ich bin auf der Bühne nicht privat“, sagt er, „aber ich bin ich.“ König will vor dem Publikum herausfinden, welche Potentiale in ihm stecken - Schauspielerei als Selbstfindungsprozeß.

„Ich diszipliniere mich in der Figur, aber nicht in der Spiellust“, umschreibt er seine Schauspielphilosophie. Und so versucht er durch möglichst unterschiedliche Rollen, die in ihm schlummernden Seiten aufzuspüren. Wenig schätzt es der Twen, auf einen Typ festgenagelt zu sein. „Mir ist es ein Greuel“, bekennt der Jungstar und schüttelt sich vor Unbehagen, „ein Motzki-Image zu haben. Ich bin und bleibe Dietmar König.“

Momentan aber fühlt sich der Preisträger pudelwohl. „Hier am Thalia ist alles ganz toll“, schwärmt er von seinem Arbeitsplatz. Die Kollegen, die Theaterluft, das Umfeld - alles prima. Natürlich hat so ein Energiebündel, so ein Zappelphilipp, der keine zehn Sekunden stillsitzen kann und jeden Satz gestenreich begleitet, auch Pläne für die Zukunft: Fernsehen, Film - aber nicht jeden Sereienschrott. Am liebsten spielt er sowieso die Klassiker, weil „man an denen noch am meisten lernen kann“. Außer in dem Schiller-Klassiker Kabale und Liebe spielt er derzeit noch in fünf anderen Thalia-Inszenierungen. „Das ist oft ein 15-Stunden-Tag“, stöhnt er, aber von Verdruß ist bei dem Mann trotzdem nichts zu spüren. Er ist noch immer heiß darauf, bis an seine Grenzen vorzustoßen.

König wuchs in Rahlstedt, im grauen Osten Hamburgs neben Truppenübungsplatz und Betonsiedlungen auf. Schon im zarten Alter von sechs Jahren zog er sich gerne in einen dunklen Keller zurück und zimmerte sich dort, abgeschieden von der Welt und von Rahlstedt, ein Kasperletheater zusammen. Anschließend habe er seine Schulkameraden in das Verließ gelockt und ihnen Kostproben seiner Kasperlekünste vorgeführt, wofür er nicht selten mit Negerküssen und Haribo-Konfekt honoriert wurde.

Zehn Jahre später erkannte ein Lehrer das Talent des 16jährigen, integrierte ihn in die Schultruppe und nach dem Abitur gelang König der Sprung in die Schauspielschule. Gleich sein erstes Engagement brachte ihn ans Thalia-Theater. Eine Traumkarriere? König atmet tief durch, „eine gewisse Begabung habe ich sicherlich“, meint der Kettenraucher und zieht kräftig den Rauch in die Lunge.

Fremde Autoritäten mag er nicht, nur mühsam sind ihm Vorbilder zu entlocken. „Ich habe keine“, grinst er frech, und erst auf Nachfrage kommen Namen wie Oskar Werner und Richard Burton über seine Lippen. Die hätten sich nie in ihren Rollen verschlissen, seien immer sie selbst geblieben. Und das soll man auch von ihm später sagen. „Ich möchte einmal in England Theater spielen“, bekennt er und fügt im gleichen Atemzug hinzu - als müsse er sich dafür entschuldigen: „Aber ich bin scharf darauf, meinen Namen in Leuchtlettern auf Kinofassaden zu sehen.“

Joachim Reiss