„Kein kaltplanendes Monster“

■ Acht Jahre Haft wegen Totschlags im Luruper Kindermord-Prozeß

Wenn ein Vater seine Kinder tötet, ist das für Außenstehende schwer nachvollziehbar. Bei der Urteilsverkündung im Prozeß gegen den Vater, der zwei seiner Kinder getötet hat, gab es gestern eine Überraschung: Der geständige Gartenbauhelfer wurde wegen zweifachen Totschlags im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit zu acht Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Die Kammer ist zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, daß der Mann sich selbst töten und die Kinder quasi habe mitnehmen wollen. Die Richter haben dies als Totschlag gewertet und blieben beim Strafmaß weit unter der von der Staatsanwaltschaft geforderten 15jährigen Freiheitsstrafe wegen Mordes.

Der Vorsitzende Richter betonte in der mündlichen Begründung des Urteils, daß der Verurteilte nicht das „kaltplanende Monster“ ist, als das er in der medienöffentlichen Vorverurteilung hingestellt worden sei. Vielmehr handele es sich bei dem Gartenbauhelfer um „eine erheblich gestörte Persönlichkeit“ mit einem wahnhaften Verhältnis zur Realität. Die Ehe des Angeklagten mit seiner 33jährigen Frau sei – obwohl sie 13 Jahre gedauert habe – ein Fehlschlag gewesen. Hier seien auch „die Wurzeln“ der Tat zu suchen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hatte der 33jährige Mann befürchtet, seine Frau könnte mit einem anderen Mann ein neues Leben beginnen und ihm könnten die Kinder weggenommen werden. Das Ehepaar hatte sich in den vergangenen Jahren häufig über die ständig wachsenden Schulden der Familie gestritten. Seine Frau hatte der Angeklagte so lange bedroht und geschlagen, bis sie ins Frauenhaus flüchtete. Niemand hatte jedoch die später getöteten vier- und sechsjährigen Geschwister oder die ältere Tochter als gefährdet angesehen.

Die Dreizehnjährige überlebte die furchtbare Tat, weil sie ihrem Vater in die Augen sah und beteuerte: „Ich verlaß dich doch nicht“. Sie war im Halbschalf Zeugin des Todes ihrer Schwester. Es gelang ihrem Vater nicht, sich selbst zu töten, obwohl er es mehrfach versuchte. Dies alles hat sie mitangesehen.

Ihre Aussage stand im Mittelpunkt des Strafverfahrens. Die Dreizehnjährige, die nicht mehr zu ihrem Vater zurückkann, weil er in Haft sitzt, und nach Weisung der Behörden auch nicht zur Mutter ins Frauenhaus soll, lebt heute in einem Heim am Stadtrand.

Auch (Familien-) Welten, die niemals heil waren, können am Ende zusammenbrechen.

Paula Roosen