„Keine neue Taktik am Sielwall“

■ Innensenator und Polizeipräsident weisen die Verantwortung für die Silvesterschlacht von sich

Zwei Tage nach der Silvesterschlacht um die Sielwallkreuzung hat gestern die politische Debatte um die angewandte Polizeitaktik begonnen. Innensenator Friedrich van Nispen (FDP) und Polizeipräsident Rolf Lüken versicherten übereinstimmend, an diesem Jahreswechsel sei ebenso wie in den vorangegangenen beiden Jahren eine Deeskalations-Taktik geplant gewesen. Für den tatsächlichen Verlauf der Nacht sei die Einsatzleitung verantwortlich.

Der innenpolitische Sprecher der grünen Bürgerschaftsfraktion, Martin Thomas, warf der Polizei dagegen vor, an ihrer „bewährten Deeskalationsstragie“ gerade nicht festgehalten zu haben. Am Donnerstag wollen Innensenator und Polizeipräsident der Deputation efür Inneres einen ausführlichen Bericht über die Silvesternacht erstatten.

„Das Einsatzkonzept war genauso angelegt wie in den letzten beiden Jahren“, sagte Polizeipräsident Lüken gegenüber der taz. Was dann vor Ort daraus wurde, sei „situativ entschieden worden“. Die Frage, ob die Polizei mit ihrem Einschreiten die Gewaltbereitschaft der Gegenseite erst geweckt habe, sei „wie die Frage, ob Henne oder Ei zuerst da waren“, nicht zu beantworten. Tatsächlich sei – entgegen des Eindrucks auf der Straße – sogar weniger Polizei an der Sielwallkreuzung gewesen als in den vergangenen beiden Jahren. Lüken: „In diesem Jahr waren nur zwei bremische Hundertschaften im Einsatz, zuvor hatten wir auch noch Hilfe von außerhalb.“

Der Ausbruch der Gewalt sei dann „völlig überraschend“ gekommen. Lüken: „Ich war eigentlich davon ausgegangen, daß es in diesem Jahr wieder friedlich bleibt und wir im nächsten Jahr dann überhaupt nicht mehr an die Kreuzung kommen müssen.“ Zu den tätlichen Übergriffen der Polizisten, die auch auf unbeteiligte Zuschauer und Kinder eingeprügelt hatten (vgl. taz vom 3.1.), wollte sich Lüken nicht äußern: „Bei mir ist noch keine Strafanzeige in dieser Sache gelandet.“

Der grüne Martin Thomas hält die Vorwürfe allerdings für glaubwürdig: „Ganz offensichtlich haben einige Polizisten ihren Einsatz eigenmächtig in einen Erziehungsauftrag mit dem Gummiknüppel umgemünzt.“ Nach der Silvesternacht stelle sich jetzt die Frage, ob durch eine falsche Polizeistrategie das Zusammenwirken von politisch motivierten Gewalttätern und unter Alkoholeinfluß stehenden ,unbescholtenen Bürgern' gefördert wurde.“

Für Innensenator van Nispen stellt sich nach der Silvesterschlägerei jetzt die Frage, „ob wir nächstes Mal vielleicht doch noch mehr Polizei einsetzen müssen“. Oder aber es findet sich ein Träger für ein „alternatives Angebot“ im Viertel. Van Nispen: „Eine im Stadtteil von Kaufleuten und Ortsamt organisierte Open-Air-Party wäre vielleicht auch eine Chance, die Situation zu entspannen. Aber so etwas kann man nicht von oben verordnen.“

Ase