■ Mit Japans Beamten auf du und du
: Arrogant und mächtig

Tokio (taz) – Unter Japans Wirtschaftsministerium befindet sich eine U-Bahn-Station, die frühmorgens Hundertschaften von krawattierten Beamten ausspuckt und sie in ihre Amtsstuben hoch über der Haltestelle entläßt. Was im Bonner Regierungsviertel undenkbar wäre, ist in Tokios Regierungszentrum Kasumigaseki Realität. Das Wirtschaftsministerium ist über die Maronuchi-Linie direkt ans Tokioter U-Bahn-Netz angenabelt. Über separate Rolltreppen gelangen die 12.447 Beamten in ihre Zentrale, über Lifte an ihre Arbeitsplätze. Zum Tagesrüstzeug gehört nicht viel: die Morgenzeitung, dunkelgrauer oder blauer Anzug, fein geplättetes Hemd; die Jüngeren unterscheiden sich von den Älteren nur durch die bunte Krawatte. Wer seine algenumwickelten Reisbälle nicht von zu Hause mitträgt, braucht am Mittag das Amtshaus dennoch nicht zu verlassen: Im ersten Untergeschoß sind diverse Nudelsuppen- und Sushi-Bars eingerichtet; eher sportliche Beamte bevorzugen das Basketballfeld, das auf dem Dach des 20stöckigen Bürokomplexes aufgezeichnet und mit einem Zaun umzogen ist.

In diesem Mikrokosmos eines sich selbst genügenden Beamtenviertels werden seit Jahrzehnten sämtliche Winkel des wirtschaftlichen Tuns in Japan ausgeleuchtet und festgelegt. Wer wo investieren darf, wer was importiert und exportiert, wer mit wem fusioniert, wer auf welchem Gebiet forscht, und wer in den Genuß billiger Staatskredite kommt – jede dieser Fragen wird im Wirtschaftsministerium Miti (Ministry of International Trade und Industry) mitentschieden. Und auch der gewöhnliche Konsument ist der Willkür der Bürokraten ausgeliefert: die Höhe der Steuern, der Energietarife, die Preise für Agrarprodukte, sie alle werden in Kasumigaseki dekretiert. Wünschen die Japaner ein Stück deutschen Schinken oder einen deutschen Wein zu kaufen, beanspruchen die Ministerialbeamten das letzte Wort. So muß Schwarzwälder Schinken, der bereits in Deutschland mit einem Haltbarkeitsdatum versehen worden ist, für Japan zusätzlich mit dem Herstellungs- und dem Importdatum ausgezeichnet werden. Eine Unzahl derart unscheinbarer bürokratischer Einfuhrschikanen bewirken, daß der Schinken, der in Deutschland pro Kilo 80 Mark kostet, in Tokio viermal so teuer ist.

Die Megamaschine Miti allerdings kommt jetzt ins Stottern. Die Wachstumsbranchen der letzten Jahre, die Automobil- und Elektronikindustrie, leiden an Überkapazitäten und Exportschwäche. Immer mehr japanische Firmen verlegen Fabriken ins Ausland. Erstmals weiß auch das Miti keinen Weg aus der Krise. Georg Blume