Winkeladvokat wird zum Wohltäter

■ Gerhard und Katharina Hoffmann bilden seit sieben Jahren das Hilfswerk Haiti   Von Marco Carini

Am kommenden Montag wird er wieder in den Flieger steigen und nach Port-au-Prince, der Hauptstadt Haitis jetten. „Ich will sehen, wie unsere Projekte im Nordosten des Landes vorankommen“, nennt Gerhard Hoffmann den Grund für seinen Trip auf den zwischen Kuba und Puerto Rico gelegenen Inselstaat. Denn dort hat der 56jährige Hamburger, der vor knapp sieben Jahren das „Hilfswerk Haiti e.V“ gegründet hat, einiges bewegt. Sechs Schulen wurden mit den Geldern des Hilfswerks gebaut, gerodete Waldgebiete wiederbepflanzt, zahlreiche Missionshospitäler mit Medikamenten und Verbandszeug ausgerüstet.

Das Hamburger Haiti-Hilfswerk ist eine zwei Personen-Organisation. Leise und effizient arbeiten Gerhard Hoffmann und seine Schwester Katharina daran, die Not in einem der ärmsten Staaten der westlichen Welt zu mildern. Rund um die Uhr und ehrenamtlich organisieren sie Hilfstransporte und unterstützen Selbsthilfeprojekte gegen Armut, Arbeitslosigkeit und Analphabetismus.

Allein im vergangenen Jahr verteilten sie etwa 250.000 Mark Geld- und für 400.000 Mark Sachspenden im Nordosten Haitis, der noch ärmer ist als der Rest des Landes. „Von einer Spendenmark kommen 96 Pfennige bei der notleidenden Bevölkerung an“, versichert Hoffmann. Da die Arbeit ehrenamtlich geleistet wird, sind die Verwaltungskosten gering.

Das Geld zum Leben bescheren dem Geschwisterpaar die Einnahmen aus zwei Mietshäusern, die Hoffmann erstand, als er noch in einem von ihm gegründeten „Rechtsbeistandsbüro“ arbeitete. Als er 1986 auf Haiti alle Fünfe gerade sein lassen wollte, geriet er in den Widerspruch zwischen dem Touristentraum von der karibischen Palmenstrandidylle und der bitteren Armut außerhalb der abgeschotteten Hotelanlage. Der Urlaub wurde zur Lebenswende; aus dem Winkeladvokaten, der nicht selten für seine Kunden auch mit rüden Methoden Geld von säumigen Schuldnern eingetrieben hatte, wurde der Wohltäter.

Die Bilanz der knapp sieben Jahre des Hilfswerks läßt sich vorzeigen: Sechs Schulen hat Hoffmann bereits errichten können, weitere vier sollen demnächst folgen. Die Lehrergehälter trägt das Hilfswerk ebenso wie Schulgelder für Kinder aus verarmten Familien. Mit Wiederaufforstung kämpft der gelernte Betriebswirt gegen die Erosion und Versteppung des entwaldeten Bodens. Ein Altenheim und ein Waisenhaus werden vom Hilfswerk unterstützt, kleine Straßen gebaut, die der Bevölkerung den Weg zum nächsten lokalen Nahrungsmittel-Markt erleichtern sollen. In mehreren „Ernährungszentren“ werden Kinder im Alter zwischen einem und fünf Jahren aufgepäppelt, deren Eltern das Geld fehlt, ihren Nachwuchs zu versorgen.

Daß die Arbeit in dem seit 1991 von einem Militärregime regierten Karibik-Staat „ein zweischneidiges Schwert“ ist, darüber ist sich Hoffmann bewußt: „Wir stabilisieren durch unsere Hilfe dieses System“, räumt der Hamburger ein, „doch sollen wir die Hände in den Schoß legen, wenn Tausende Menschen an Hunger sterben.“ Nicht selten gerät das Hilfswerk dabei zwischen die Fronten. Ein bis an den Rand mit Medikamenten gefüllter Container der Hilfsorganisation konnte im vergangenen Oktober im Port-au-Prince nicht angelandet werden, weil bewaffnete Haitianer im Auftrag der Regierung den Hafen der Hauptstadt blockierten. Sie wollten verhindern, daß ein US-amerikanischer Truppentransporter in dem Hafen vor Anker geht. Seitdem hängt der Container des Hilfswerks im Hafen von Kingston/Jamaika fest.

Da die US-Regierung im Oktober ein Ölembargo über den Inselstaat verhängte, um die Militärregierung in die Knie zu zwingen, ist der Treibstoff für Fahrzeuge und stromerzeugende Dieselgeneratoren knapp geworden. „Die Kühlketten für den Kaviar der Reichen funktionieren noch, doch viele unserer Projekte liegen aufgrund des Treibstoffmangels brach“, beschreibt Hoffmann die Situation.

Noch weiß er nicht, woher er den Sprit nehmen soll, um zu den Hilfswerkprojekten im Landesinneren zu kommen. Und weiß schon gar nicht, wann er Haiti wieder verlassen kann. Denn ab 15. Januar wollen die USA und Kanada ein totales Flugembargo über Haiti verhängen. Wie er dann zurückkommt? „Dieu bon Dieu konnin“ sagt Hoffmann auf kreolisch, der haitianischen Landessprache – „Gott wird's schon richten“.

Spendenkonto Haiti-Hilfswerk: Haspa (BLZ: 20050550), KtoNr: 1009/211218