Immer wieder klauen

■ Kripospezialtruppe für Intensivtäter/ Kriminalität in Bremen, Teil 9 der taz-Serie

Schon mit zwölf hat Thomas M. geklaut, viermal wurde er dabei erwischt. Im Jahr darauf kamen zur Klauerei noch Betäubungsmitteldelikte. Mit 14 Jahren beging Thomas M. seinen ersten Raub (Diebstahl mit Gewalt). Da war er jedoch strafmündig und bekam prompt zehn Monate auf Bewährung. Heute ist Thomas M. 20 Jahre alt und wird regelmäßig aktenkundig wegen Diebstählen, Körperverletzung, BTM-Delikten und Verstößen gegen das Waffengesetz. Mehr als 30 Straftaten soll er in den vergangenen zwei Jahren begangen haben.

Thomas M. ist ein sogenannter Intensivtäter, einer von 174 Intensivtätern in der Stadt Bremen - fast alle Jugendliche oder Heranwachsende, viele drogenabhängig. Diese Mehrfachtäter machen sieben Prozent aller Tatverdächtigen aus, begehen jedoch rund 40 Prozent aller Straftaten. Grund genug, daß nun eine Spezialtruppe der Kripo auf sie angesetzt wurde: die Ermittlungsgruppe Intensivtäter. Sechs Kripobeamte bündeln alle Erkenntnisse, die ihnen die Reviere über einzelne Autoaufbrüche oder Ladendiebstähle schicken. Die StaatsanwältInnen Bremens erhalten jetzt also nicht mehr nur dünne Akten über einzelne Delikte auf den Tisch, sondern eine dicke Akte sämtlicher Verdächtigungen. Konsequenz: Die Staatsanwaltschaft kann ihren Antrag auf Haftbefehl beim Richter auf mehrere Fälle stützen, kommt also eher damit durch.

Mehr Leute in Haft nehmen - so könnte man den Sinn der Sonderkommission Mehrfachtäter kurz fassen. „Das ist aber nichts Illegales“, sagt der Leiter der Ermittlungsgruppe, Hubert Neuhaus, da sofort. Die Gründe, die eine Haft rechtfertigen, sind diesselben geblieben: zum Beispiel Fluchtgefahr und Wiederholungsgefahr. Das Haftrecht bleibt also unverändert. Möglicherweise jedoch werden die Bremer RichterInnen künftig öfter einen „roten Schein“ (Haftbefehl) wegen Fluchtgefahr unterschreiben. Oberstaatsanwalt Hans-Georg von Bock und Polach: „Wer einen festen Wohnsitz hat, gilt eigentlich nicht als fluchtgefährdet. Wenn aber dem Staatsanwalt drei bis fünf Delikte auf dem Tisch liegen und der Tatverdächtige ist erneut festgenommen, dann ist tatsächlich ein Fluchtanreiz gegeben, da der Verdächtige wegen dieser Vielzahl von Taten eine höhere Strafe zu erwarten hat.“

„Unser Ziel ist aber nicht immer das Einsperren“, wendet Kriminalhauptkommissar Neuhaus ein, Jugendliche unter 16 wolle man keinesfalls im Knast haben. „Bei Jugendlichen ist das Ziel jedoch, möglichst schnell eine Sanktion herbeizuführen, wie auch immer die dann aussieht.“

Die einfachen SchutzpolizistInnen haben vermutlich ihre Freude an der neuen Sonderkommission: Bei denen ist der Frust groß, daß sie einen eben Geschnappten dann doch wieder laufen lassen müssen, weil der einzelne Tatverdacht nicht zu einem Haftbefehl reicht. Und am nächsten Tag erwischen sie ihn schon wieder beim Dealen.

Beispiel: Die Schutzpolizei nimmt im Steintor einen Kleindealer fest. Der 17jährige hat jedoch einen festen Wohnsitz bei seinen Eltern, es besteht also keine Fluchtgefahr, er müßte wieder freigelassen werden. Die neue Ermittlungsgruppe Intensivtäter jedoch kann intensiver arbeiten als die KollegInnen auf der Straße: Eine Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft ergibt, daß der 17jährige unter Bewährungsstrafe steht. Es wäre also möglich, einen Bewährungswiderruf zu erhalten.

Gegen eine besonders hartnäckige Gruppe von Intensivtätern ist jedoch auch die Spezialtruppe machtlos: die Kinderbanden in der Innenstadt. Darunter einzelne, die schon mit zwölf an die hundert Ladendiebstähle hinter sich haben. „Die hab' ich wohl im Computer“, meint Neuhaus, „aber mit denen kann ich nichts anfangen, die sind ja alle noch strafunmündig“.

Christine Holch