Da warne ich vor dem Klangraum!

■ Ein Leben im Museum: Horst Cordes, Aufsichtsperson in der Weserburg, mag „Die Hausfrau“ am liebsten

„Das hatten wir nun schon öfter, daß einer in den Kreis geht. Dann hopsen sie da drüber weg - da muß man schon mal Rabatz machen.“ Horst Cordes weiß, wovon er spricht: Von Richard Longs Schieferkreis und der Sprunghaftigkeit von MuseumsbesucherInnen. Hat er beides doch jeden Tag im Blick. Horst Cordes arbeitet im Neuen Museum Weserburg und ist dort Herr über die Kasse, die Siche- rungsanlage und vier große Monitore: der Regisseur im Eingangsbereich. „Ich hab das ganze Haus im Auge“, meint der große Mann lapidar.

Wer hier sitzt oder besser unterwegs ist, muß wissen, was wo ist. Wen sonst können die Kunstwilligen nach der Hausfrau von Duane Hanson fragen. „Die ist ja nun leider gestern nach Kanada gegangen“, bedauert Cordes. Ganz persönlich, denn als er noch oben Aufsicht gehabt hat, ist Die Hausfrau eine seiner Lieblinge geworden.

Der Fünfziger mit dem grauen Spitzbart sträubt sich ein bißchen, irgendetwas mit der Moderne am Hut haben zu wollen - angeblich weil er nie Kunstunterricht gehabt hat. „Deswegen sind das aber man nun keine kniffligen Dinge. Man versucht, sich damit auseinanderzusetzen.“ Richard Long, zum Beispiel, dem fühlt er sich nahe, der mache ja einfache Sachen, aber da müsse man erstmal drauf kommen. „Er geht ja durch die Natur. Und da ich selbst auf dem Land aufgewachsen bin, kann man uns Kunstbanausen damit locken.“

Horst Cordes hat Verständnis für die Hilflosigkeit der Leute im Museum. Er streift oft selbst durch die Räume und da fällt ihm dieses und jenes ein, wo man sich einklinken kann. Claes Oldenburg, der im Sommer in der Weserburg war, der hat witzige Sachen gemacht, da konnte vom Kleinkind bis zum alten Greis jeder was mit anfangen. „Oder hier, der Scheibenwischer von Edward Kienholz, da dürfen sie ran und den Wischer einschalten, obwohl sonst die Kunst ja nicht zum Berühren ist.“ Für Kinder sei das toll.

Überhaupt die Kinder. Wenn Eltern mit ihren Kleinen kommen, warnt sie Cordes schon unten an der Kasse vor dem Klangraum von Hans Otte „in der Vier“. „Wenn sie da reinkommen, ist es zuerst still. Erst wenn sie sich dann bewegen, erzeugen sie Klänge. Und so ein Kleinkind im Buggy kann sich da ganz schön erschrecken. Ich bin ja selbst Vater. Ich weiß, wie schlimm so was sein kann.“

Sobald die Leute aber von der Vier in die Viereinhalb gelangen, rührt sich in Horst Cordes die Aufsichtspflicht. Da meinen die nämlich irrtümlich, man könnte auch bei Rolf Julius' von der Decke hängenden Lautsprecherboxen Klang durch Bewegung machen und bringen sie in Schwung. Da hat man dann einiges zu tun.

Diejenigen Museumsgänger, die nur kurz reinschmecken, mag Cordes sowieso nicht. „Man muß sich schon die Zeit nehmen. Und wenn das denen nicht gefallen hat, sollen die das draußen sagen, sonst beeinflussen die die Leute, die frisch reinkommen.“ Wenn jemand schimpft, verteidigt der Kassier seinen Arbeitsplatz. Die Verrücktheiten im Haus, die gehören nun mal dazu, die müsse man akzeptieren. „Ach, wissen Sie, beim Hobeln fallen Späne.“

Man lernt bei der Arbeit. Und man muß entscheiden können. Zum Beispiel, wenn einer keinen Ausweis dabei hat und trotzdem verbilligten Eintritt haben möchte. Oder wenn eine größere Gruppe kommt. Da muß kurzfristig von der Drei oder der Eins eine Aufsicht auf die Zwei geschickt werden. Auch wenn ab und zu Besucher mit ihm über die Kunst reden wollen, zeigt sich Cordes als geübter Taktiker. „Da hat ja jeder seine eigene Methode, sich herauszumanövrieren. Ich höre mir erst einmal an, was die Herrschaften zu erzählen haben.“ Sein ältester Sohn, der kürzlich hier gewesen ist, war vom Museum „auch auf eine Art ganz begeistert“.

Zuhause in Lilienthal hat Horst Cordes sechs Plakate mit Werken aus der Sammlung. „Eins davon ist die Hausfrau.“

Silvia Plahl