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„Es wird an den Lebensnerv gehen!“

■ Die Führungskrise im Altonaer und Harburger Theater kann die Existenz der beiden Privatbühnen gefährden

Dunkle Wolken ziehen um das Altonaer und Harburger Theater auf. Ein Machtkampf zwischen dem 90jährigen Intendanten Hans Fitze und seiner gleichaltrigen Gattin Elke Ahlf auf der einen sowie Oberspielleiter Roland Heitz und Verwaltungsdirektor Axel Caben auf der anderen Seite nimmt perspektivisch existenzbedrohende Ausmaße an. Denn, so Hans-Heinrich Bethge, Pressesprecher der Kulturbehörde, man habe Fitze unmißverständlich klar gemacht, daß im Angesicht der zu erwartenden Spareinschnitte für 1995 jedes Theater einer schonungslosen Prüfung unterzogen werde. „Wir werden dann fragen müssen“, so Bethge, „ist dieses Theater für die Stadt notwendig, und wenn sich dann herausstellt, daß auf Grund interner Streitereien das Theater keine Perspektive mehr hat, dann haben sie ganz schlechte Karten.“ Das Theater wird momentan mit 3,4 Millionen Mark subventioniert. Ein Entzug der Subventionen würde das definitive „Aus“ für die Bühne bedeuten, die mit ihren konventionellen Inszenierungen fast ausschließlich Pensionäre aktivieren kann.

An dem Theater, dessen Altonaer Zweig dieses Jahr vierzigjähriges Bestehen feiert, rumort es schon länger. Der Grund ist stets derselbe: Das Prinzipalen-Ehepaar sträubt sich gegen die Berufung eines Nachfolgers. Die notgedrungen bestellten Kronprinzen (zuletzt auf Druck der Kulturbehörde eben Roland Heitz) geraten unausweichlich mit den beiden aneinander, sobald sie ihre eigenen künstlerischen Vorstellungen verwirklichen wollen. Zuletzt der Hausregisseur Pierre Léon, der mit einer Eigentumswohnung abgefunden wurde, und jetzt Heitz, dem Fitze 350.000 Mark geboten hat, wenn er das Theater verläßt, hatten innerhalb kürzester Zeit die Gunst der zwei verspielt. Dabei haben sich beide Nachfolger stets dazu bekannt, die Tradition des Hauses fortzuführen und den Rat Fitzes gesucht.

Doch dieser konnte sich nie damit abfinden, daß jemand anderes als er und seine Frau in „seinem“ Theater das Sagen hätten. Inzwischen sind die Fronten so verhärtet, daß Roland Heitz auf der gestrigen Presskonferenz, auf der er eigentlich nur den Spielplan 94/95 vorstellen wollte, als erste Amtshandlung den Fahrer Fitzes vor die Tür setzte, um anschließend deutlich zu machen, daß die „Halsstarrigkeit zweier alter Leute“ jeden Kompromiß unmöglich mache. Zwar habe, laut Heitz, Fitze am 16. Dezember vor Zeugen sein Ehrenwort gegeben, sich aus dem Theater zurückzuziehen. Leider habe man das aber damals nicht schriftlich fixiert, und nun wolle sich Fitze an nichts mehr erinnern.

Dieser überlegt jetzt rechtlich gegen Heitz vorzugehen, um ihm Vertragsbruch nachzuweisen. Obwohl die Vereinbarung zwischen den drei Geschäftsführern Fitze, Heitz und Caben besagt, „dem Oberspielleiter steht die gesamte künstlerische Leitung des Theaters zu“, und ferner, diesem „obliegt die künstlerische Weisungsbefugnis aller am Produktionsprozeß beteiligten Mitarbeiter“, verlangt Fitze, daß alle Entscheidungen mit ihm abgesprochen werden.

Zu den Vorgängen im Einzelnen wollte dieser gestern keine Stellung nehmen. Lediglich die Aussage, „eine weitere Zusammenarbeit mit Herrn Heitz ist unmöglich“, war von ihm zu bekommmen. Er habe Heitz nie gewollt, sondern die Kulturbehörde habe letzten Sommer unnötige Eile gemacht (Fitze lag damals schwerkrank im Krankenhaus), und so habe er Heitz im August gemeinsam mit Caben eingestellt, weil „gerade kein anderer da war.“

Der Riß setzt sich durch das Theater fort, in dem viele Mitarbeiter ein baldiges Ende befürchten. „Was auch immer in den nächsten Wochen passiert“, so ein Mitarbeiter des Hauses, „es wird an den Lebensnerv des Theaters gehen.“

Till Briegleb

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