Etwas Wachstum, viele Arbeitslose

■ Hamburger Sonderkonjunktur mindert die Wucht der Rezession / Dennoch sind bald 80.000 Menschen ohne Job   Von Florian Marten

Die Rezession, seit Mitte 1991 in den Auftragsbüchern der Hamburger Wirtschaft spürbar, schlägt jetzt kräftig auf den Arbeitsmarkt durch. Mit 67.420 offiziell registrierten Arbeitslosen Ende Dezember 1993 brach der Hamburger Arbeitsmarkt im vergangenen Jahr förmlich ein: 17 Prozent mehr Arbeitslose bedeuten ein abruptes Ende der Boomjahre 1988-92, in denen sich der Hamburger Arbeitslosenberg von über 100.000 auf gut 50.000 fast halbiert hatte.

Trendwende auch bei den Arbeitsplätzen: Nach Berechnungen der Wirtschaftsbehörde gingen allein 1993 17.000 Stellen wieder verloren. Ein Ende des Abwärtstrends ist nicht in Sicht: Die Wirtschaftsbehörde rechnet für 1994 mit 80.000 Arbeitslosen. Selbst wenn die Wirtschaft wieder wachsen sollte, „dürfte in Hamburg“, so die Analytiker von der Steinstraße, „in den nächsten Jahren ein Arbeitsplatzdefizit in der Größenordnung von rund 100.000 bestehen bleiben“.

Auch wenn die Zahlennachlese des abgelaufenen Wirtschaftsjahres der Ex-Boom-Town Hamburg nichts Gutes für 1994 verheißt - unter den gerunzelten Brauen der hanseatischen Wirtschaftsfunktionäre zeigen die Mundwinkel der Verantwortlichen in Arbeitsamt, Wirtschaftsbehörde und Handelskammer jedoch in kollegialer Parallelität nach oben. Für stille Zufriedenheit sorgt der Blick über die Stadtgrenzen: Überall anders sieht es viel schlimmer aus.

Mit der aktuellen Arbeitslosenquote von 9,2 Prozent liegt Hamburg fast auf (West-)Bundesdurchschnitt (9,1 Prozent) und hat sich damit im Wettbewerb der Bundesländer bereits auf den fünften Platz vorgearbeitet. Hamburg hatte in den letzten beiden Jahren den mit Abstand geringsten Anstieg der Arbeitslosenzahlen aller Bundesländer. So verkündete das Arbeitsamt gestern bereits „relativen Optimismus“: „Wir sehen Anzeichen dafür, daß die Betriebe in Hamburg nicht entlassen wie 1993.“ Hamburgs hoher Anteil an Dienstleistung, seine wichtige Rolle beim Aufbau des Ostens und die geringe Bedeutung industrieller Krisenbranchen, so resümiert die Wirtschaftsbehörde froh, mache die Wirtschaft hier stabiler als sonst überall in der Republik.

So fällt es auch nicht sonderlich auf, daß immerhin ein Drittel des Anstiegs der Arbeitslosigkeit auf den radikalen Abbau von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zurückgeht, mithin „hausgemacht ist“, wie das Arbeitsamt einräumt: Mit gerade noch 29 Millionen Mark (Ende der 80er Jahre: 120 Millionen) kann das Arbeitsamt Arbeitsbeschaffung finanzieren, lediglich bei der Weiterbildung wird mit 86 Millionen Mark für 1994 in etwa das Niveau gehalten.

Mit aktivem Optimismus blickt die Wirtschaftsbehörde in die Zukunft: Schon im zweiten Halbjahr 1994 werde die deutsche Konjunktur wieder anspringen, Hamburg mittenmang und vorneweg, mit 0,5 Prozent Wachstum 1994, so das Orakel vom Steindamm. Mit einem Schuß hanseatischer Ehrlichkeit räumen die behördlichen Sonny-Boys freilich ein: „Auch bei einer Belebung der Produktion muß 1994 mit einem weiteren Beschäftigsabbau gerechnet werden, es sei denn, die Wachstumrate beträgt deutlich über zwei Prozent.“