„Wer a sagt, moet ook b zeggen“

■ Neue Fähre in Bremen! Neue Fähre in Bremen? Herr Schalks ist in der Stadt! Mit eigener Werft und Reederei!

Am 20. Februar 1994 wird in Bremen unter Absingen von Seemannsliedern durch einen Rotterdamer Chor eine neue Fähre in Betrieb genommen: Der „Fährdienst Kleine Weser“ zwischen dem KünstlerHaus am Deich und dem Museum Neue Weserburg nimmt dann seinen fahrplanmäßigen Betrieb auf. Die Mutter des Rotterdamer Reedereibesitzers Arnold Schalks wird die auf der Schalks- Werft gebaute Fähre beim Stapellauf auf einen bislang geheimgehaltenen Namen taufen. Die Passagiere erhalten beim Übersetzen Schwimmwesten und Fahrkartenunikate.

Eine Meldung, die nachdenklich stimmt. Es gibt an der angegebenen Stelle schon eine Brücke. Wer will überhaupt zum Museum? Gar zum KünstlerHaus? Wozu die Schwimmwesten?? Was sind Fahrkartenunikate???

In der Tat handelt es sich um das tollkühne Projekt eines niederländischen Künstlers, der dieser Tage das Gastatelier des KünstlerHauses bewohnt, und sein Konzept ist derart, daß man bis zuletzt nicht mit Sicherheit wird wissen können, ob am 20. Februar wirklich eine Fähre über die Kleine Weser setzt.

Was es aber schon gibt, ist eine komplette Holzbootwerft und ein Reedereibüro in der Galerie des KünstlerHauses. Ein Dock, etliche Schraubzwingen, eine Kreissäge, dazu maritime Objekte wie Fender und Tampen sowie ein Schiffsmodell der Motoryacht „'t Schalkje 2“. Schon Arnold Schalks sen. baute Boote, und die Firmentradition begründete Opa Harry, der seinerzeit die Schalks-Werft erfand, um bei einem Großhändler einkaufen zu können. Die Reederei Schalks besteht vorerst aus einem angestoßenen Schreibtisch.

Schalks jr. interessiert sich als Künstler für Linguistik und Kommunikation. Er hat in einem spanischen Städtchen einen tiefen Brunnen gebohrt und mit den Spaniern in der Sprache der gefundenen archäologischen Objekte gesprochen. Er hat auch mal eine ausgesprochen eigenwillige Übersetzung von Heideggers „Unterwegs zur Sprache“ geliefert, bestehend aus Vergegenständlichungen der Heideggerschen Begriffe (zu dem Zweck gründete er die Firma „Heidegger Reisen“). Und wer jetzt noch nicht verstanden hat, daß das Übersetzen über einen Fluß etwas mit dem Übersetzen von Sprache zu tun hat, dem ist nicht zu helfen.

Zwei Ufer - zwei Sprachen - zwei Kulturen - Wer a sagt, muß auch b sagen (Motto der Schalks- Reederei) Schalks bietet seine „Übersetzung“ als Dienstleistung. Er übersetzt eine „maritime Kor- respondenz“ mit seinem Künstlerkollegen Andrée Dekker, die Fahrscheine werden in Deutsch und Niederländisch ausgegeben, und womöglich kommt zum Stapellauf der Rotterdamer Spitzenruderer Wim Konings zur Übersetzungsarbeit. „Übersetzen,“ sagt Schalks, „ist Bewegung, unheimlich kommunikativ.“

Inzwischen druckt er Fahrpläne und allerlei Hinweisschilder, entwirft eine Reederei-Fahne, kümmert sich um Holz, und ach ja: ein Fährhäuschen muß auch noch her.

Ja, Arnold Schalks wird zum Regisseur eines Events. Der Mann im Seemannspullover mit dem Bürstenhaarschnitt der Matrosen hat hinter seinem mitreißenden Lachen ein bißchen Angst: „Das Konzept wird stärker als der Bootsbau.“ Gott, ein Steg muß ja auch noch her! Wird es überhaupt ein Boot geben? Siehe da, schon schrumpft die Fähre vorsichtshalber auf 2 1/2 Meter Länge (geplant: 5,25m). Wird es eine Nußschale sein? Woran sollen wir beim Namen „Schalks“ denken? Vielleicht an Opa Harry?

Burkhard Straßmann

Auflösung am 20. Februar 1994 an der Kleinen Weser. Hinweise schon am 10. Februar 20 Uhr - dann wird in aller Form das Reedereibüro eröffnet. (Am Deich 68/69)