"Kopflose Taten gibt es bei uns nicht"

■ Die Berliner Aktion "Keine Mauer durch Sarajevo" hat bislang knapp 3.000 Pakete verteilt / Sogar die deutsche Luftwaffe ist froh, daß die aktiven Berliner Helfer sich in der belagerten Hauptstadt ...

Jasna Malkoč organisiert die Aktion „Keine Mauern durch Sarajevo“, die Berliner zu Paketspenden aufrief. Die 27jährige Bosnierin lebt seit 1969 in Berlin und studiert Slawistik, Anglistik und südosteuropäische Geschichte.

taz: Viele Menschen, die Ihrem Aufruf folgten und Pakete packten, sorgen sich nun, ob diese in Sarajevo auch angekommen sind.

Jasna Malkoč: Wir haben auf drei Touren insgesamt knapp 3.000 Pakete nach Sarajevo gebracht und dort übergeben. Doch die Aktion ist noch nicht beendet, es kommen immer noch Pakete. In Berlin lagern im Moment noch zwischen 4.000 bis 8.000 Pakete.

Die Situation in Sarajevo ist für alle Einwohner so schlecht, daß Sie absolut keinen Fehler machen, die Pakete an die dort lebenden Menschen zu verteilen. Es gibt dort nicht schlechter oder besser versorgte Menschen, sondern es gibt nur eine insgesamt sehr schlecht versorgte Zivilbevölkerung. Dann haben wir noch ein Kontingent von Paketen an das einzig funktionierende Altersheim in Sarajevo gegeben. Auch diese Lieferung habe ich persönlich begleitet. Wir fahren mit, damit die Pakete dort ankommen und in die richtigen Hände gelangen.

Bei anderen humanitären Aktionen sind die Spenden offenbar nicht in die richtigen Hände gelangt oder vergammeln in Lagerhallen. Auch, weil die UNO-Bürokratie die Weitergabe blockiert.

Die Bürokratie beginnt eigentlich schon in Berlin, wo ich um eine Genehmigung bitten muß, mit meinen Gütern nach Sarajevo hineinzufliegen. Dann heißt es meist, die Kapazitäten der Luftbrücke nach Sarajevo seien so eng bemessen, daß kein Platz für Pakete bliebe. Das stimmt nicht. Manchmal wird einfach die falsche Ladung dorthin gebracht und wird dann wieder zurückgeflogen, oder etliche Flugzeuge sind nur mit UN- Soldaten beladen. Dadurch können wir gegenwärtig nicht einmal Medikamente der höchsten Priorität nach Sarajevo schaffen. Die UNO blockiert. Das kann den Grund haben, daß sie ihr Monopol halten wollen, oder kann an Desorganisation und fehlender Koordination liegen.

Viele Menschen, auch in Berlin, sind abgeschreckt worden zu helfen. Ist es naiv, wie manche behaupten, so Pakete zu sammeln, wenn deren Verteilung nicht garantiert werden kann?

Wir arbeiten daran, daß es ankommt. Kopflose Aktionen gibt es bei uns nicht, weil man dabei den Kopf verlieren kann. Es muß vorher klar sein, daß die Pakete dort ankommen, nur dann fahren wir. Wir verhandeln derzeit mit dem Auswärtigen Amt in Bonn, der UNO in Genf und der deutschen Luftwaffe auf dem Stützpunkt im italienischen Ancona. Von zwei Stellen habe ich bereits die feste Zusage für weitere Transporte. Zunächst sollen die gespendeten Medikamente, insgesamt 40 große Paletten, nach Sarajevo gebracht werden. Diese 10 bis 15 Tonnen Medikamente kommen von Berliner Ärzten. Was die Lebensmittelpakete angeht, so erarbeiten wir gegenwärtig ein Programm zusammen mit der bosnischen Regierung, die Lebensmittelpakete in den Zyklus der humanitären Hilfe einzuspeisen.

Wollen Sie die Aktion weiterführen und ihr Ziel von 100.000 Paketen erreichen?

Ja, schließlich haben wir bereits bewiesen, daß es möglich ist, Menschen in Sarajevo zu versorgen. Und die Pakete, die jetzt noch in Berlin liegen, kommen garantiert an. Ich habe vier Tage in Sarajevo damit zugebracht, die Pakete zu erkämpfen. Die sind beschlagnahmt worden, und es wurde eine Verteilung untersagt. Dann bin ich von Behörde zu Behörde gelaufen, bis wir diese Pakete übernehmen und den Menschen geben konnten.

Die deutsche Luftwaffe in Ancona hat mich sehr unterstützt. Die Flieger ärgern sich: Sie schaffen tonnenweise Mehl nach Sarajevo, und dennoch erhalten die Menschen dort nur ein viertel Kilo pro Monat, weil ein großer Teil verschwindet. Auch die Luftwaffe ist deswegen froh, daß wir mitfahren und uns vor Ort auskennen. Interview: Gerd Nowakowski