Homosexuelle zum Freiwild erklärt

■ Prozeß gegen drei Reps wegen Volksverhetzung gegen Schwule und Lesben

Vor dem Berliner Amtsgericht wird demnächst ein Prozeß verhandelt, der spannend werden dürfte: Angeklagt sind drei Mitglieder der Fraktion der rechtsextremen „Republikaner“ (Reps) in der Friedrichshainer Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Der Vorwurf: Volksverhetzung gegen Homosexuelle.

Egal, was für ein Urteil ergeht – schon jetzt steht fest, daß der Fall durch alle Instanzen gehen wird. Denn mit der Auffassung, daß die Verunglimpfung von Schwulen und Lesben den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt, hat die Staatsanwaltschaft rechtliches Neuland betreten.

Im Dezember 1992 war bei Gesundheitssenator Peter Luther (CDU) ein von drei Friedrichshainer Rep-BVVlern unterschriebenes Papier eingegangen. Genauer gesagt, war es das Rudiment eines Vordruckes für eine Unterschriftenaktion, die von Frauengruppen gegen die seinerzeit geplanten Stellenstreichungen in der Lesben- und Schwulenberatung organisiert worden war. Den Vordruck hatten die Reps durch Streichungen und Ergänzungen so verändert, daß Schwule und Lesben nun offen bedroht wurden. „Wenn sie in ihren Kämmerlein bleiben, tut ihnen niemand etwas“, stand darin geschrieben. Den ursprünglichen Protest gegen die Stellenstreichung hatten die Reps zu einer Befürwortung derselben umgemünzt: Die Gelder sollten statt dessen für kinderreiche Familien verwendet werden, „die dringend der stärkeren Hilfe des Staates bedürfen“. Das Pamphlet war vom Friedrichshainer Rep-Fraktionsvorsitzenden Detlef Mahn sowie dessen Parteifreunden Manfred-Ulrich Voigt und Rainer Gerbert unterzeichnet.

Nachdem der SPD-Bezirksbürgermeister Helios Mendiburu Strafanzeige erstattet hatte, klagte die Staatsanwaltschaft die drei Reps wegen Volksverhetzung an. Der Prozeß sollte letzten Dienstag stattfinden, doch die zuständige Richterin wurde plötzlich krank. Der Vertretungsrichter wollte den „komplizierten Grenzfall“ nicht verhandeln, weil er keine Zeit zur Vorbereitung gehabt habe. Der Rep-Fraktionsvorsitzende Mahn, der sich von Hermann Oxfort verteidigen läßt, war vergebens erschienen. Oxfort (FDP) war in den siebziger und achtziger Jahren zweimal kurzzeitig Justizsenator. Er vertrete seinen alten Bekannten Mahn nicht, weil dieser Parteimitglied der Reps sei, sondern weil er die Anklage rechtlich für falsch halte, sagte Oxfort zur taz. Der Tatbestand der Volksverhetzung sei nicht erfüllt, weil dafür ein Verstoß gegen die Menschenwürde vorliegen müsse. Laut Rechtsprechung, so Oxfort, sei dies jedoch erst bei Aussprüchen wie „Alle Juden sollen vergast werden“ der Fall.

Oberstaatsanwalt Carlo Weber ist da anderer Meinung. Die Reps hätten Homosexuelle auf der Straße zu einer Art „Freiwild“ erklärt. Dies bedeute eine klare Verletzung der Menschenwürde von Schwulen und Lesben. Und wenn die Verteidigung vorbringen sollte, daß Homosexuelle keine eigenständige Bevölkerungsgruppe im Sinne der Volksverhetzungs-Strafvorschrift seien, so hat Weber auch dafür eine Antwort parat. Rund zehn Prozent der Bevölkerung seien homosexuell, die Hälfe davon bekenne sich offen dazu. Homosexuelle seien damit ein genauso abgrenzbarer Bevölkerungsteil wie Ausländer, Berliner, Bayern, Beamte oder Bauern. Plutonia Plarre