„Angst vor Rechten habe ich nicht“

In Altlandsberg ist seit gestern der gebürtige Inder Gujjula offiziell Bürgermeister  ■ Von Anja Sprogies

Altlandsberg (taz) – Nervös umklammert Ravindra Gujjula mit beiden Händen die Tischplatte. „Diese Aufmerksamkeit ist ganz neu für mich“, entschuldigt er sich. Zahlreiche Kamerateams und Fotografen beobachten an diesem Dienstag abend, wie der gebürtige Inder von der Stadtverordnetenversammlung in Altlandsberg als Bürgermeister bestätigt wird. Der Mann mit der dunklen Hautfarbe nimmt die Wahl an, spricht die Eidesformel und wird die nächsten fünf Jahre das kleine brandenburgische Städtchen südlich von Berlin regieren.

Am 19. Dezember hatte der parteilose Gujjula die Stichwahl gegen den bisherigen Bürgermeister Rene Koht (CDU) mit knapp 66 Prozent der Stimmen gewonnen. Der 39jährige Arzt dachte lange nach, ob er wirklich ehrenamtlicher Bürgermeister werden will. „Ich habe mir viele Kopfschmerzen zerbrochen“, meint er. „Doch ich wollte das Vertrauen der Bürger in mich nicht enttäuschen.“ Gujjula spricht leise, etwas umständlich und mit ungewöhnlicher Betonung der Wörter. Seit zwanzig Jahren lebt er nun in Deutschland, elf Jahre davon mit Frau und zwei Kindern in Altlandsberg. Er ist Arzt für innere Medizin, und seine Praxis befindet sich direkt im Rathaus.

Er habe keine Angst vor den Rechten, beteuert er an diesem Abend mehrfach. „Als indischer Arzt war ich doch genauso gefährdet wie als Bürgermeister.“ Nur seine Eltern in Indien würden sich große Sorgen machen. „Die verfolgen das Geschehen in Deutschland sehr genau und haben mir abgeraten.“

Bereits 1989 wollte Gujjula auf der Gewerkschaftsliste zur Kommunalwahl antreten. Das wurde damals abgelehnt. Es hieß, „Ausländer sollen dort kandidieren, wo auch Ausländer leben“, erzählt Gujjula. 1990, als die Kommunalwahl wiederholt wurde, kandidierte der indische Staatsbürger auf der Liste der „Altlandsberger Wählergemeinschaft“ und wurde in die Stadtverordnetenversammlung gewählt. Das Wahlgesetz der DDR, nach dem damals verfahren wurde, erlaubte die Kandidatur von Ausländern. Gujjula übernahm den Vorsitz des Jugend- und Sportausschusses und gründete einen Jugendclub, „um die Jugendlichen von der Straße zu holen“. Besonders stolz ist er auf die zahlreichen Veranstaltungen gegen Gewalt und Rechtsradikalismus, die er initiierte.

Gujjula wollte weiter politisch arbeiten. Anfang 1993 beantragte er daher die deutsche Staatsbürgerschaft, denn er wollte bei der anstehenden Kommunalwahl für den Bürgermeisterposten kandidieren. Ein halbes Jahr später konnte Gujjula dann „völlig unbürokratisch“ seinen deutschen Paß abholen. Der Arzt freute sich über die deutsche Staatsbürgerschaft. Warum? Gujjula spielt nachdenklich mit seinen Fingern. „Weil meine Kandidatur ernstgenommen wurde.“ Die Besonderheit eines Bürgermeisters mit dunkler Hautfarbe sei ihm erst durch das große Medienecho bewußt geworden. Selbst seine Eltern in Indien hätten sämtliche Fotos von ihm Journalisten gezeigt. „Zwei Tage nach der Wahl haben sie bei mir angerufen und wollten neue Bilder“, amüsiert sich Ravindra Gujjula.

Der neue Bürgermeister führt die erste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung höflich und ruhig. Die goldene Bürgermeisterglocke will er möglichst nicht benutzen. Er sucht die Harmonie, und keiner sagt ein böses Wort über den neuen Amtschef. Selbst sein Vorgänger Koht bestätigt: „Gujjula ist sehr beliebt.“ Gujjula will die Fehler des alten Bürgermeisters nicht wiederholen. „Wir haben uns vorgenommen, sehr bürgernah zu arbeiten.“ Schnell will er jetzt eine Umgehungsstraße bauen, denn die Hauptstraße führt direkt durch die Altstadt von Altlandsberg. Außerdem gilt es Arbeitsplätze zu schaffen. Die Arbeitslosenquote liegt hier über der 20-Prozent-Marke.

An Polizeischutz für sich und seine Familie denkt der indische Bürgermeister nicht. „Es gibt wichtigere Dinge.“ Ist er seit seiner Wahl schon bedroht worden? Wieder schweigt Gujjula. „Eigentlich nicht.“ Mehr möchte er zu diesem Thema nicht sagen.