Bomben gegen indianische Rebellen

■ Mexikos Regierung setzt Luftwaffe ein / Journalisten dürfen Krisengebiete nicht betreten / Bischof von San Cristóbal de las Casas beschuldigt die Armee der Ermordung gefangener Guerilleros

Mexiko-Stadt/San Cristóbal/Ocosingo (taz/AFP/AP/dpa) – Um den Widerstand rebellischer Indianer im Süden des Landes zu brechen, scheute die mexikanische Regierung am Dienstag auch vor dem Einsatz der Luftwaffe nicht zurück. Fünf Kampfflugzeuge bombardierten vor Einbruch der Dämmerung eine Siedlung südlich von San Cristóbal de las Casas mit der Begründung, von dort aus sei ein Armeestützpunkt beschossen worden. Völlig unklar ist zur Zeit, wieviele Dörfer und Städte die Zapatistische Befreiungsbewegung (EZLN) in Chiapas, dem südlichsten Bundesstaat Mexikos, weiterhin besetzt hält. Die Regierung hat den Flughafen von Tuxtla Gutiérrez, der Hauptstadt von Chiapas, geschlossen. Die Armee hindert Journalisten an Reisen ins Unruhegebiet.

Doch bot sich Reportern, denen es gelang, sich nach Ocosingo durchzuschlagen, ein grauenhaftes Bild: Auf dem Marktplatz der von der Armee zurückeroberten Stadt lagen Tote in ihrem Blut, um sie herum verfaulendes Gemüse, halbleere Limonadenflaschen und Tortillas. Insgesamt zählten die Journalisten 24 Tote; Leichen von mindestens acht Soldaten und Polizisten waren bereits entfernt worden. EinwohnerInnen erzählten, die letzten Rebellen hätten am Montag abend die Flucht ergriffen und seien durch die Maisfelder am Rand der Stadt entkommen. Über den Feldern kreisten Aasgeier, am Rand lag noch ein schwer verwundeter Campesino in seinem Blut.

Die meisten EinwohnerInnen gaben an, sie seien von den Aufständischen gut behandelt worden. In der Nähe der Stadt raubten die Aufständischen nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft von einer Brigade des staatlichen Ölkonzerns Pemex rund 1.600 Kilogramm Dynamit.

In Oxchuc haben die BewohnerInnen offenbar sechs Guerilleros in ihre Gewalt gebracht, als diese in den Ort eindrangen. Eine Menge von zweihundert Personen umstellte die Aufständischen, entwaffnete sie und prügelte danach auf sie ein. „Sie wollten uns lynchen“, klagten die sechs Männer. Die Dorfbewohner beteuerten demgegenüber, sie wollten die Gefangenen lediglich den Regierungstruppen übergeben.

In Palenque, einer Stadt außerhalb des Unruhegebiets, die wegen ihrer berühmten Maya-Tempel jährlich von Zehntausenden Touristen besucht wird, hat nach Angaben der mexikanischen Presse die Stadtverwaltung das Rathaus geräumt und den Ort bereits verlassen. Die Schulen und Banken seien geschlossen.

In einer Pressekonferenz beschuldigte Samuel Ruiz Garcia, Bischof von San Cristóbal de las Casas, die Armee, in zahlreichen Fällen gefangene Guerilleros exekutiert zu haben. Das Vorgehen der EZLN bezeichnete er als „selbstmörderisch“.

In Interviews hatte der 23jährige „Comandante Carlos“, der – im übrigen selbst ein Mestize – den Angriff der indianischen Guerilleros auf San Cristóbal anführte, einen „Marsch auf Mexiko“ angekündigt, um den Sturz der Regierung durchzusetzen. Er dementierte, Führer der EZLN zu sein. Die Guerilla werde von einem Komitee geleitet. Der mexikanischen Tageszeitung La Jornada zufolge setzt sich dieses aus Tzotzil-Indianern zusammen, die eine der etwa ein Dutzend Ethnien im Bundesstaat Chiapas bilden.

Inzwischen hat die Regierung den Aufständischen Verhandlungen angeboten, doch müßten diese zunächst ihre Waffen niederlegen, die Gefangenen freilassen und die Identität ihrer Führer preisgeben. thos

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