„Oh, es ist hier“

■ In der Ausstellung „Leben in Kenia“ stellt das Museum für Völkerkunde den Maler Joel Oswaggo vor

Der Mensch stammt aus Afrika. Vor hunderttausenden von Jahren entstand hier diese Gattung. Manche suchen noch heute dort, beispielsweise in Kenia, das (touristische) Paradies. Doch weder Eva noch Adam noch der liebe Gott sind auffindbar. Aber dafür scheint es von Göttern nur so zu wimmeln. Es gibt in ganz Afrika schätzungsweise 6 - 8.000 Freikirchen und allein in Kenia haben unter der Flagge des Christentums mehr als sechzig Freikirchen ihren eigenen Wahrheitsanspruch.

Joel Oswaggo aus der Ethnie der Luo am Victoria-See hat sie studiert. Der 1944 in Kamagambo geborene Kenianer interessiert sich in besonderem Maße für die traditionelle Medizin - und damit verbunden zwangsläufig für die Religionen überhaupt.

Als Zeichner Autodidakt hat er sich einen leicht karikierenden Stil erarbeitet, in dem er die traditionelle Lebensweise seines Volkes und die synkretistischen Rituale der zahlreichen Sekten darstellt. Auf den ersten Blick würde manches Blatt in Europa geradezu rassistisch wirken, aber vor Ort und in Kenntnis der Hintergründe ist die Typisierung sehr genau. Der klassisch europäische Bildaufbau mit verblauten Bergen im Hintergrund entspricht nicht nur der realen Erfahrung im kenianischen Hochland, er ergibt auch einen auf die europäische Renaissance verweisenden Bildraum. Ganz abbwegig sind solche Erinnerungen angesichts aktueller Kunst aus Ostafrika nicht, hat doch Joel Oswaggo die Einflüse eines in den Künsten dilettierenden italienischen Ingenieurs für seine Bilder übernommen. Doch weniger formal, eher inhaltlich sind die Bunststiftzeichnungen auf ihre Geschichten hin zu lesen.

In der Ausstellung des Völkerkundemuseums sind den Bildern Teile der Erklärungen des Künstlers aus Interviews von 1990 beigegeben. Vertiefend gibt der Katalog, zusammengestellt vor zwei Jahren vom Frankfurter Museum für Völkerkunde anläßlich der ersten Schau der Arbeiten Oswaggos außerhalb seines Landes überhaupt, einen Einblick in die Bedeutungserzeugung durch Erzählung, wie es für Afrika typisch ist: „... und sie gehen an den Ort und beginnen zu singen, zu tanzen, die Trommeln zu schlagen und machen weiter. Sie machen weiter bis derjenige, der vorgibt ein Prophet zu sein, dort zu agieren beginnt: ,Oh, ich habe etwas gesehen. Ich habe die schlechten Dinge hier entdeckt. Oh, es ist hier, es ist hier, es ist hier, hier, hier, hier', - das Ding wackelt, er schüttelt dieses Ding: ,Oh, es ist hier!'“- und plötzlich fallen aus dem Dach gefährliche „ndagla“, von Feinden versteckte, verzauberte Fetisch-Objekte.

Auf die Frage, wie dies anginge, zeigt Joel Oswaggo moderne Distanz. Lachend erklärt er: „Oh es ist dieses Ding, das kommt von..... innen aus den Kleidern. Ja. Seine Hand hat dort nichts gefaßt. Die meisten machen solche Sachen. Ja. Die meisten tun es.“

Hajo Schiff

“Vom Leben in Kenia“, Museum für Völkerkunde, Rothenbaumchaussee 64; bis 27. Februar, Katalog 18 Mark