Den Tumor erkannt oder nicht?

■ UKE-Chefarzt Hübener und Oberarzt Brockmann vor Gericht

Zwei Meter Tisch trennten sie gestern voneinander, die beiden Kontrahenten. In Wirklichkeit sind es inzwischen wohl eher Welten: Im Hamburger Ziviljustizgebäude saßen sich der suspendierte UKE-Radiologie-Chefarzt Klaus-Henning Hübener und der vorübergehend suspendierte, jetzt wieder praktizierende UKE-Radiologie-Oberarzt Wulf-Peter Brockmann gegenüber. Per einstweiliger Verfügung wollte Hübener seinem ehemaligen Untergebenen vom Gericht untersagen lassen, nochmals in der Öffentlichkeit zu behaupten, Hübener habe im Fall des Lungenkrebspatienten E. einen Tumor nicht bestrahlt, weil er das Geschwulst nicht erkannt habe.

Brockmann hatte den angeblichen Behandlungsfehler im Frühjahr 1993 dem Ärztlichen Direktor des UKE, Heinz-Peter Leichtweiß, in einem Brief dargelegt. Bei einer Nachuntersuchung des Patienten will er damals laut MoPo-Berichterstattung festgestellt haben, daß Hübener die falsche Körperregion bestrahlt hat. Eine Behauptung, der der Chefarzt auch gestern im Gericht heftig widersprach: Er habe die Erkrankung sehr wohl diagnostiziert, aber aus verschiedenen Gründen nicht bestrahlt, so seine Darstellung des Geschehens.

Nicht nur in diesem Punkt sind sich die beiden Mediziner inzwischen spinnefeind, der Zwist zwischen den beiden hat derweil eine langjährige Geschichte. Nur eine Episode daraus: die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den Chefarzt wegen der betrügerischen Abrechnung von „Phantom-Patienten“. Hübener hatte damals den Verdacht geäußert, daß Brockmann ihn auch in diesem Fall angeschwärzt habe könnte.

Richter Bernd Gräfe wollte den juristischen Streit gestern jedoch nicht im Eilverfahren erledigen. Er appellierte an die Streitparteien, diese Angelegenheit „vom Zwerchfell wegzubekommen“. Statt die Beschuldigung mit einer eilig übers Knie gebrochenen einstweilige Verfügung abzuhandeln, solle man die Sache doch lieber sorgfältig in einem Hauptverfahren prüfen. Immerhin, so Gräfe, gerate das Gericht bei den „figelinschen medizinschen Fragen an die Grenze seines Verständnishorizonts“. So willigte Hübener ein, die Abgelegenheit auf dem Klageweg zu bereinigen, Brockmann sagte zu, seine Behauptungen bis dahin nicht mehr zu wiederholen. Frühestens im April wird nun ein Gericht über die Zulässigkeit der Anschuldigungen des Oberarztes befinden.

Bereits am 17. Januar wird Hübener jedoch erstmals dem Wissenschaftsauschuß der Bürgerschaft öffentlich Rede und Antwort stehen. Er selber hatte die Abgeordneten um eine Anhörung gebeten, um endlich Stellung zu den Vorwürfen beziehen zu können. Im Gerichtsgebäude betonte der Radiologe gestern gegenüber der taz, daß bei den nach seiner Methode bestrahlten Darmkrebspatienten nach wie vor kein Serienschaden nachgewiesen worden sei. Seine Bestrahlung habe 1986 auf einem Therapiekonzept basiert, das zuvor bereits lange Jahre in Hamburg praktiziert worden sei. Sannah Koch