: Rathaus-Fossile ohne Konkurrenz
■ SPD-Bürgerschaftsfraktion verzichtet auf Erneuerung und Frauenquote / Nur Gerd Gustav Weiland muß zittern Von Uli Exner
Erneuerung? I wo! Frauenquote? Wie schreibt mann das? Wenn am kommenden Montag die SPD-Bürgerschaftsfraktion zusammenkommt, um Macht, Posten und ein wenig Geld für die gerade begonnene Legislaturperiode zu verteilen, dann bleibt in der roten Rathausriege (fast) alles, wie es war.
Für die Fraktionsspitze kandidieren Günter Elste (44), Amtsinhaber Vorsitz aus Wandsbek, Ingo Kleist (55), Amtsinhaber Stellvertretung aus Mitte, Jan Ehlers (54), Amtsinhaber Stellvertretung aus Nord. Konkurrenz: Fehlanzeige. Nur für den vierten im feingewebten Parlaments-Quartett, den Haushaltsausschußvorsitzenden Gerd Gustav Weiland (53), ebenfalls aus Wandsbek, könnte es möglicherweise umständlich werden, wieder in Amt und Würden zu gelangen. Voscherau-Spezi Weiland, seit 20 Jahren Haushaltsausschußvorsitzender, gilt durch seine umstrittene Rolle bei den konkursgefährdeten Hamburger Stahlwerken (HSW) als überaus skandalgefährdet.
Selbst dem Ex-HSW-Geschäftsführer wohlgesonnene Parteirechte gehen mittlerweile auf Distanz und lassen via Bild verlautbaren, daß es Zeit für einen echten Schnitt sei. Zu groß scheint die Gefahr, daß ein Wühlen in der Vergangenheit der Weiland-Voscherau-Wandsbek-Verbindung Übles oder zumindest entsprechende Schlagzeilen zu Tage bringt. Schon überlegt die CDU die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, schon faxt Voscherau Erklärendes zu seiner Tätigkeit als Weiland-Anwalt in die Redaktionen. Also wenigstens ein neues Gesicht im roten Machtkartell?
Wohl kaum. Als mögliche Nachfolgerin Weilands wird Elisabeth Kiausch (60) genannt. Die frühere Bürgerschaftspräsidentin sitzt bereits seit 1970 im Parlament. Rechnet man die Rathausjahre der fünf Kandidaten für die vier einflußreichen Posten zusammen, gelangt man ins hohe Greisenalter. Gemeinsam bringen es die vier auf satte 87 Jahre in Parlament und Senat. Stopp.
Beinahe hätten wir's vergessen. Kiausch ist eine Frau. Klarer Fall: die Chancen sinken. Und schon hüpft ein weiterer alter Bekannter aufs Pöstchen-Karussell. Rolf Lange (51). Der Ex-Innensenator zog 1978 das erste Mal in die Bürgerschaft ein und genießt gegenüber Kiausch einen zweiten feinen Vorteil. Er kommt wie Weiland mitten aus Wandsbek.
Auf der Suche nach den Gründen für die dem Anspruch einer „modernen Großstadtpartei“ (SPD-Vorsitzender Helmuth Frahm) nicht gerade gerecht werdenden Konkurrenzlosigkeit der roten Polit-Fossile stößt man auf: a) eine Mauer des Schweigens, b) vage Andeutungen auf die Polit-Arithmetik zwischen den Machtzentren Wandsbek, Mitte, Links, c) verschiedenen Bösartigkeiten in Form unflätiger, aber nicht zitierfähiger Verbalinjurien auf die jeweils anderen Genossen und d) auf das eigentliche Problem. Mangelnde Courage des parlamentarischen SPD-Nachwuchses. Oder sollte es etwa Unvermögen sein?
Ein altgedientes Fraktionsmitglied geht genau davon aus: „Wenn die was gelernt hätten, würde sich dieses Problem jetzt nicht stellen.“
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