Ich mach TeVau

■ Was eine Videokamera in der Hand junger Knackis anrichten kann

„Allein, die Welt hat mich vergessen,“ kreischt Nina Hagen auf der Tonspur, „ich glotz TeVau!“ Dann schwenkt die Kamera stolz durch kleine Reiche, über den Gummibaum, das Beistelltischchen. Nett haben sie es hier, die Jungs aus Blockland. Die Kamera zoomt das Pin-up an der Wand heran und versinkt in der Schambehaarung der Schönen. Als Ton wird jetzt wildes Gestöhn beigemischt. Schwer haben sie's hier, die Jung-Knackis, aber Billard haben sie auch, andererseits gibt es den „Bunker“. Hier wird (schrille Übersteuerungen schreien vom Wahn) eingesperrt, wessen Randale der Normalvollzug nicht mehr integrieren kann.

Bremer Knackis haben einen Film gemacht. Mehr noch: sie haben Fernsehn gemacht. Und sind auch - im Dezember - gesendet worden. Vorerst nur im Offenen Kanal, dafür aber innerhalb einer dreistündigen Show, die man im Bürgerfernsehn für ein Highlight des Jahres hält. Wo sonst hinter Gitterstäben Öde und Langeweile vorherrschen, wo man vergessen wird und niemand einen wahrnimmt, geschweige denn ernst, tauchten im letzten Jahr nette junge SozialpädagogikstudentInnen auf und hatten ein Angebot: Wir bringen Equipment und Know How, und Ihr macht den Film, den ihr wollt. Thema, weitestgefaßt: „Ich und meine Stadt. Bremer sehen Bremen.“ Technische Unterstützung: Stephan Hänke, Medienberater vom Offenen Kanal.

Die Jungs fanden die Idee prima, endlich mal was los. Im Kinderheim Sankt Petri fanden Kinder so eine Idee auch prima, der halbe Kulturladen Huchting nahm die Videokameras in die Hand, ebenso Psychisch Behinderte in Bremen Ost, Jugendliche verschiedener Freizeitheime ... Es handelte sich nämlich bei „Medien und Sozialarbeit“ um ein Uniprojekt von Prof. Heinz Hengst, der seine StudentInnen auf ihre zukünftige Klientel losließ: Alle möglichen Problem- und Randgruppen und solche mit erhöhtem Betreuungsbedarf sollten kennengelernt und motiviert werden. Und tatsächlich: in den meisten Fällen kamen die Studies mit einem Film wieder. Zwölf Zehn- Minuten-Beiträge waren es zum Schluß, die im Rahmen einer Live- Sendung aus dem Studio des Offenen Kanals ins Kabel gingen.

Die Motiviertesten waren die Knackis. Die teure Technik, die Möglichkeit der Selbstdarstellung,die Chance, dem alltäglichen Schrecken des Eingeschlossenseins, der (auch körperlichen) Einsamkeit Bilder zu geben, faszinierte sie. Als die StudentInnen schließlich mit einer mobilen Schneideeinrichtung in den Knast kamen, blieben die eingesperrten Filmemacher die ganzen zehn Stunden bei der Stange. Und doch ist „Auszeit“, so der Titel, kein Gruselfilm geworden.

Der väterliche Knast-Sozialarbeiter Vollmer fand den Film sogar „viel zu schön“. Tatsächlich versuchten die Jugendlichen, sich nicht als Opfer zu zeichnen - eher als Akteure im eigenen Haus, im eigenen Zimmer, mit eigenen (kleinen) Freiheiten. Richtige Kerle allemal. Wenn Gefühle, dann solche, die sich am besten mit Hardcore, Metal und Tekkno beschreiben lassen.

„Kommt Ihr wieder,“ fragten die Kerle, als alles vorbei war. Und dann passierte etwas für Uni-Projekte eher Ungewöhnliches: Ein Student namens Burghard („Buko“) de Joncheere will weitermachen. Seine „Klienten“ sind ihm nämlich unversehens zu Freunden geraten. Er plant, im Jugendknast eine Medienwerkstatt einzurichten, und macht sich auf Sponsorensuche. Die Idee: eine Knast-Video- Zeitung. Alle Bereiche sind schon miteinander verkabelt, da könnte man einen regelmäßigen Informationsaustausch organisieren, Knast-Nachrichten, das wär's! Vielleicht auch von drinnen nach draußen. Burkhard Straßmann