■ Eine Neuerung, geeignet, unseren Entschlüssen spontanen, revolutionären Schwung zu geben:
: Der Automaten-Urlaub

Angefangen hat alles mit herrlich-klebrigen Sahnebonbons. Der Automat spuckte sie aus, wenn man ihn mit Zehnpfennigstücken fütterte. Oh Wunder der Kinderzeit, auch wenn es beim Zahnarzt endete. Steigerungsstufe eins war prickelndes Brausepulver in Brikettform und als Mickymausfigur verpackt. Das löste sich – da wunderte man sich schon gar nicht mehr – im Mund auf, noch bevor man es schmecken konnte. Dann kamen die bunten Kaugummikugeln. Die schmeckten um so ekliger, weil man für die 20 Pfennig, die man oben in den Schlitz gestopft hatte, in der Metallklappe unten sehnlichst auf den kleinen Goldring oder den winzigen Plastikporsche gehofft hatte. Enttäuschung! Aber so wuchsen wir hinein – nicht ins Zeitalter der Automation, sondern in das der Automaten.

Inzwischen gibt es so gut wie nichts, was es nicht aus der Metallklappe zu ziehen gibt: Zigaretten und Bier, Tampons und Kondome, Fahrkarten und Blumensträuße, Nylonstrumpfhosen und Slips, Becher voll Waschpulver oder roter Grütze und das wundersamste überhaupt: Geld.

Jetzt also auch noch dies: der Urlaub. Ab sofort an Ihrem Automaten. Auf der Tourismusbörse im März soll der Urlaubsautomat vorgestellt werden. Seine Vorteile liegen schon jetzt auf der Hand: einmal Mallorca eintippen, drei Minuten auf die Buchung warten und losfliegen. So schön kann die schönste Zeit des Jahres sein! Da geht man arglos durch die Straßen, kommt am Urlaubsautomaten vorbei, da war doch was? Ach ja, noch 12 freie Tage dieses Jahr. Schon tippt man ein: Urlaubsort? Egal. Entscheidender sind die nächsten Tasten, die ein perfekter Urlaubsapparat unbedingt braucht: gewünschte Sonnenscheindauer? Wassertemperatur? Maximale Entfernung zum Strand? Abenteuer erwünscht? Ja/nein? Augen- und Haarfarbe des Reiseleiters? Bevorzugter Urlaubsflirt? Einheimisch/deutsch? Musikprogramm der nächstgelegenen Disco: bitte wählen Sie jetzt nach dem angegebenen Tastenschlüssel.

Aber was ist ein Urlaubsautomat ohne Online-Anschluß zu den persönlichen Daten seines Benutzers? Verträgt er das eingetippte Klima überhaupt? Was sagt die letzte Blutdruckmessung? Was die Patientendatei des Hautarztes? Übersteigt der gebuchte Hotelstandard das Girokonto des Automaten-Reisenden? Und hat er – Kurzanfrage in der entsprechenden Personalabteilung – überhaupt noch so viele Urlaubstage, wie er dem Automaten gerade weismacht? Auch das ist blitzschnell lösbar: Bei zweimal Negativauskunft behält die Urlaubsmaschine die Karte ein. Nächster Versuch frühestens in einem Monat möglich. Bei zehn Fehlversuchen wird der Urlaub gänzlich gestrichen. Macht auch nichts. Einfach zum nächsten Automaten gehen, Geld ziehen, vollautomatisch in Markstücke wechseln lassen, in den Automaten mit Rotwein und Baguette stopfen, dann in den Schlitz vom Sonnenautomaten, danach – frischgebräunt – in den vom Fix-Foto-Automaten, jetzt fehlt nur noch der Briefmarkenautomat, und fertig ist der Urlaubsgruß für die Lieben daheim. Ganz automatisch. Vera Gaserow