Braucht Hamburg Stahlwerke?

■ Streit um die städtische Industriepolitik

Stadtchef Henning Voscherau will die Arbeitsplätze bei den Hamburger Stahlwerken „mit Zähnen und Klauen“ verteidigen. Hamburg, so sein öffentlich verkündetes Credo, müsse seine Industriearbeitsplätze verteidigen. Koste es was es wolle? Die IG-Metall-Bosse Frank Teichmüller (Nordmark) und Klaus Mehrens (Hamburg) sehen es etwas differenzierter. Im Vier-Augen-Gespräch räumen sie ein, daß schlichte Grundstoffindustrien nach Art der HSW auf lange Sicht keine Zukunft in Hamburg haben. Aber: „Wir brauchen auch einfach Industriearbeitsplätze. Woher sollen wir sie sonst nehmen?“

Auch linke Sozialdemokraten und einige grüne Altsozialisten hängen das Arbeitsplatzargument ganz hoch: Mitten in der Rezession könne man nicht einfach 800 Arbeitsplätze plus Zulieferindustrie killen, mögen die finanz-, energie-, umwelt- und strukturpolitisch auch noch so sinnlos sein.

Weitgehend einig sind sich die Experten verschiedenster Couleur, daß vergleichsweise einfache, aber stark energiefressende und umweltbelastende Grundstoffindustrien wie die Stahlwerke, die Aluminiumwerke (HAW) und die Kupferhütte Norddeutsche Affinerie auf Dauer im Ballungsraum Hamburg nicht überleben können. Anders als die traditionsreiche Norddeutsche Affinerie sind Stahlwerke und HAW in den 70er Jahren im Rahmen einer milliardenschweren industriepolitischen Offensive des Hamburger Senats angesiedelt worden, der mit der Kombination von Atomstrom, seeschifftiefem Wasser und herbeisubventionierter Schwerindustrie ein norddeutsches Ruhrgebiet schaffen wollte.

Ein Flop, wie wir heute wissen. Viele Experten empfehlen deshalb, HSW und Aluhütte schnellstens vom Subventionstropf zu nehmen. Motto: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Und: Immerhin ließe sich so problemlos ein AKW stillegen – auch ohne Strom aus Norwegen. fm