„Ost schmeckt einfach besser“

■ In Ostberlin sind Ostprodukte und ihre Kunden auf dem Vormarsch / Eine Billigkette sowie Einzelhändler haben von „Kathi's Tortenmehl“ bis Bautzener Senf alles im Regal

„Mit Nostalgie hat das nichts zu tun“, betont ein älterer Herr im Prenzelberger Parkmarkt und holt seine Spaghetti noch einmal aus dem Einkaufsnetz. „Riesa-Spaghetti“, ist er überzeugt, „haben einen entscheidenden Vorteil. Sie matschen nicht wie Westnudeln.“ Elfmal gibt es den Parkmarkt mittlerweile im Ostteil der Stadt. Elfmal Senf aus Bautzen, Rosenthaler Kadarka und Kathi's Backmischungen aus Halle. Lebensmittel aus den neuen Ländern sind das Image des nachsichtig belächelten Exotikums, wie es im Messemarkt Ost am Alex noch bei Lederwaren, Dessous und Kosmetika zu spüren ist, mittlerweile los. „Die Leute kaufen Ost nicht aus Gewohnheit, sondern weil sie davon überzeugt sind“, ist sich die Verkäuferin des Parkmarkts sicher. Und ein Kunde zerstreut den letzten Zweifel: „Aus politischen Gründen Trabi fahren, würde ja auch keinem einfallen.“

Die Discounter-Atmosphäre der blau-grauen Märkte („Ost-Gemachtes aus unseren Bundesländern“) tut dem Aufschwung-Ost da keinen Abbruch. Was zählt, ist nicht Schein und Verpackung, sondern Inhalt, also Qualität. Der Ost- West-Konflikt nur mehr noch eine Frage des guten Geschmacks? „Wissen Sie“, lacht die Verkäuferin, „West-Senf oder West-Ketchup würde ich nie runterbekommen. Ost-Produkte schmecken einfach besser.“

Und sie liegen im Trend. 82 Prozent der Neufünfländer, ermittelte unlängst die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) würden Produkte aus der ehemaligen DDR bevorzugen. Im Jahre 1991 waren es erst 67 Prozent. Daß nicht alles schlecht war im Osten, wissen mittlerweile auch die Kreuzberger. Obst und Gemüse aus Brandenburg, Spreequell-Brause aus Weißensee und das „Bier von hier“ sind die Renner bei den Brandenburger Landwaren am Oranienplatz. „Nach der Wende“, sagt der Ost-Inhaber, „gab es zwar auch schon einen Run auf die alten VEB und EVP Produkte, doch eine bewußte Haltung, Ost zu kaufen, gibt es erst seit letztem Jahr.“ Die Gründe sind vielfältig. Ist den einen die Warenvielfalt zur Last geworden, wollen andere wiederum Ost-Arbeitsplätze sichern oder beklagen den Verpackungsterror- West und das dort mangelnde Umweltbewußtsein. „Fast die Hälfte der Ostler“, so ist man überzeugt, „achtet darauf, Pfandflaschen zu kaufen.“

Ost-Kost in der Lychener Straße in Prenzlauer Berg: Von Schuhcreme bis Werra-Krepp-Toilettenpapier findet man hier vor allem Waren, die in keiner Kaufhalle (Westslang: Supermarkt) zu finden sind. Diesen Trend haben nun offenbar auch die West-Ketten entdeckt: nach längerer Blockade haben neben Spreequell und Berliner Pilsener nun auch Salate von Expresso nebst Mehl und Gries aus Wurzen ihren Platz in den Regalen gefunden. „Das Problem ist nur“, sagt eine Verkäuferin, „daß man bald nicht mehr weiß, was sich dahinter verbirgt und wer daran verdient.“

In der Tat ist der Westwolf im Ostpelz keine Seltenheit: „Diamant-Zucker aus Köln“, sagt der Inhaber der Brandenburger Landwaren, „wird nun auch in Brandenburg hergestellt.“ Neuer Name: Diamant aus Brandenburg. Und hinter der Butter Marke „Brandenburg“ verstecke sich ohnehin nur die Westberliner Meierei-Zentrale. In der Oranienstraße hat man daraus die Konsequenz gezogen: Im Angebot ist nur mehr „Uckermark-Butter“ aus Prenzlau. „Das ist eine alte LPG, die sich nun einen neuen Vertrieb aufgebaut hat, aber nur überleben kann, wenn sie Westwaren im Osten vertreibt.“ Der Marktplatz Ost hat eben seine Dialektik.

„Lange Zeit wird das nicht mehr anhalten mit den Ost-Produkten“, weiß ein Kunde vor dem Parkmarkt in Prenzlauer Berg. „Die guten werden aufgekauft oder kaufen selbst auf, und die schlechten verschwinden.“ Verblaßt ist die Erinnerung an Ost-Gemachtes schon jetzt bei der ostdeutschen new generation. „Lacufa“ ist out, Spraydosen sind in. Und vor einem Ostmarkt in der Friedrichshainer Marchlewskistraße flucht ein Jugendlicher: „Die haben weder Fertig-Cappucino noch die richtige Tiefkühlpizza.“ Uwe Rada