Internationale Berater müssen im Land bleiben

■ Kann Burundi den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt durchbrechen?

Alles deutet darauf hin, daß am 20. und 21. Oktober 1993 in Bujumbura, der Hauptstadt Burundis, nicht ein Militärputsch stattfand. Das Militär wurde lediglich gezielt eingesetzt von seinem ehemaligen Oberbefehlshaber, dem von 1987 bis 1993 regierenden Ex- Präsidenten Pierre Buyoya, der die demokratischen Präsidentschaftswahlen vom Juni 1993 verlor. Durch Ermordung der wichtigsten Inhaber der verfassungsmäßigen Ämter sollte der Weg erzwungen werden zu Neuwahlen, bei denen Buyoya als einziger überlebender Kandidat zwangsläufig wieder Präsident werden würde.

Buyoyas einstige Staatspartei Uprona vertritt rigoros die Machtinteressen der Tutsi-Oberschicht, die alle Machtpositionen im Staat innehat und die zum Zweck des Machterhalts die Armee hat hochrüsten lassen – mit ausländischer Hilfe. Dies ist keine nationale Armee, sondern eine Armee der Tutsi gegen die Hutu.

Und während das Morden im Lande noch anhält, werfen westliche Botschafter, unter denen der deutsche sich besonders hervortut, dem Außenminister Sylvestre Ntibantuganya vor, die Hutu wären daran schuld, daß die Ruhe noch nicht wieder eingekehrt sei. Normalität könnte längst wieder herrschen, so der deutsche Botschafter nach dem Zeugnis Anwesender, wenn nur die Hutu sich nicht mehr wehrten. Bei dieser Gelegenheit verlor Ntibantuganya, dessen Frau wenige Wochen zuvor bestialisch zu Tode gequält worden war, seine diplomatische Selbstbeherrschung und schrie den deutschen Diplomaten an: Das sei eine völlige Verkehrung der Tatsachen!

Es sind nach verläßlichen Aussagen weit mehr als hunderttausend Hutus ermordet worden in den Monaten Oktober bis Dezember. Das ist nicht neu – 1972 waren es 300.000. Neu ist, daß die Hutu sich hier und da zur Wehr setzten. Auch Tutsi-Familien sind ausgerottet worden. Eine Million Hutu und 50.000 Tutsi flohen in die Nachbarländer. Die Hutu-Männer, so hört man aus Tansania und Ruanda, wollen zurückkehren und kämpfen. Somit würde eine in Jahrzehnten angestaute Wut sich in neuen grausamen Aktionen entladen, und das Ziel wären diesmal die Tutsi. Jeder, der das Land kennt und Freunde dort verloren hat, kommt zwangsläufig auf die Idee: Den Hutu, der bäuerlichen Bevölkerung in Burundi, muß ganz offiziell gestattet werden, sich zum Selbstschutz zu organisieren. Wie soll die noch nicht geflohene Bevölkerung sonst zur Ruhe kommen? Wie sollen eine Million Flüchtlinge heimkehren? Wie soll verhindert werden, daß in den nächsten Generationen Rache und Vergeltung das Zusammenleben der Volksgruppen bestimmen?

Dieser Selbstschutz kann nicht von den Militärs kontrolliert werden. Wenn er aber nicht von einem Ministerium oder einer anderen militär-unabhängigen Stelle kontrolliert, organisiert und ausgerüstet wird, wird er sich spontan bilden und unkontrollierbar sein.

Voraussetzung für den Selbstschutz ist zweierlei: Stufenweise wird das Militär demobilisiert und umgeformt, bis es in eine ethnisch proportional zusammengesetzte Polizeitruppe umgewandelt ist. Zweitens ist internationale Hilfe erforderlich. Internationale Berater müssen in den nächsten Jahren als Puffer im Lande bleiben.

Es steht zu befürchten, daß die Botschafter der europäischen Mächte die Schärfe und Brisanz des Konflikts unterschätzen. Wie nach allen bisherigen Massakern möchte die internationale Staatengemeinschaft möglichst schnell zur Tagesordnung übergehen. Man muß wissen, daß in der UNO und in allen wichtigen internationalen Gremien Burundi bis heute fast ausschließlich von Tutsi-Diplomaten vertreten wird, die natürlich die Verbrechen der Militärs herunterspielen. Gunnar Hasselblatt

Der Autor ist unter anderem Verfasser des Buches „Die Idylle der Despoten: Burundi – Katyn im Herzen Afrikas“