Wenig Erfolge für Mexikos Armee

Die Eskalation seitens des Militärs hat die Guerilla-Aktionen nicht stoppen können / Zapatisten wollen weiterkämpfen – im ganzen Land / Muß der Innenminister gehen?  ■ Aus Mexiko-Stadt Anne Huffschmid

Der „Volkskrieg“ im südmexikanischen Hochland scheint sich auszuweiten. Am Donnerstag abend gelang es der angeblich niedergekämpften Zapatistischen Befreiungsfront, in den mehrere tausend Kilometer von Chiapas entfernten Bundesstaaten Michoacan und Puebla zwei Hochspannungsmasten der nationalen Elektrizitätsgesellschaft in die Luft zu sprengen. Der Bekennerbrief der Zapatisten wurde von der Elektrizitätskommission bestätigt. Die militärischen Bemühungen, der Region Chiapas trotz fortgesetzter Luftangriffe einen befriedeten Anstrich zu verleihen, nehmen unterdessen zuweilen groteske Züge an: Fünf der acht mutmaßlichen Untergrundkämpfer, über deren Festnahme die Medien am Donnerstag informiert wurden, stellten sich als ein Vorsitzender der örtlichen PRI samt vier seiner Angestellten heraus.

Allen Friedensappellen zum Trotz verbreiten die Rebellen über illegale Radiosender wiederholt ihre Weigerung, sich zu ergeben; der Kampf gegen die Regierung und die Armut gehe weiter, „nicht nur in Chiapas, sondern im ganzen Land“. Vereinzelte Luftangriffe von Militärflugzeugen und -hubschraubern werden mittlerweile auch aus dem an den Bundesstaat Tabasco angrenzenden Norden von Chiapas gemeldet.

Lokale Radiosender melden aus dem Kriegsgebiet eine steigende Zahl von Verschwundenen. Aus Ocosingo nach San Cristóbal geflüchtete Bauern berichteten von Hinrichtungen gefangener Guerilleros durch Armeeangehörige. Aufgrund dieser „delikaten Situation“ – so Angehörige der Bundesstaatsanwaltschaft – ist die Verantwortung für den ohnehin stetig zäher werdenden Informationsfluß über das Kampfgeschehen jetzt endgültig an das Verteidigungsministerium übergeben worden.

Die militärische Eskalation wird wohl nicht ohne politische Folgen für die Führungsspitze des Landes bleiben. So gehen hochstehende Regierungsbeamte mittlerweile davon aus, daß Innenminister Patrocinio Gonzalez Garrido von Präsident Salinas möglicherweise noch an diesem Wochenende abgesetzt wird. Der umstrittene Ex-Gouverneur von Chiapas habe in dem „tragischen Konflikt“ keine Verhandlungsmöglichkeiten mehr und sich damit „zu einer Last für das System entwickelt“.

Ein möglicher Schlüssel für einen Ausweg aus der eingefahrenen Situation wäre die Anerkennung der Zapatisten als reguläre Armee und damit die von ihnen geforderte Anwendung des Genfer Kriegsrechts. Dies wäre nach Auffassung des Verfassungsexperten Alejandro del Palacio auch „durchaus gerechtfertigt“, da sich die Aufständischen durch ihre Kriegserklärung und den Gebrauch von Uniformen und Waffen eindeutig als „militärische Einheit“ ausgewiesen hätten. Genau in diesem Punkt aber ist die mexikanische Staatsführung zu keinerlei Zugeständnissen bereit. Schließlich habe man es – so die amtliche Sprachregelung in einem Kommuniqué – keinesfalls mit einer organisierten Armee, sondern mit einer isolierten Gruppe von „nationalen und ausländischen Berufsterroristen“ zu tun.

Wenn auch der angekündigte „siegreiche Einzug“ der Zapatistischen Befreiungsarmee EZLN in die mexikanische Hauptstadt nicht unmittelbar bevorzustehen scheint, hat sich inzwischen eine „Urbane Front“ der EZLN zu Wort gemeldet. Ein Zehn-Punkte- Dokument, nach telefonischer Ankündigung in der Männertoilette eines Hauptstadtkinos hinterlegt, schließt: „Auch die Stadt ist ein riesiger Dschungel. Zwar sind wir hier im strategischen Nachteil, aber das ändert nichts daran, daß wir das Recht auf unserer Seite haben.“ Die städtischen Behörden kündigten daraufhin eine „Verdoppelung der Sicherheitsvorkehrungen“ in der Hauptstadt an.