Grüner Streit um Öko-Steuer

Die Partei will die ökologische Steuerreform, streitet aber noch, wohin das Geld gehen soll / Konflikt um den Nutzen der Gentechnik  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) – Konkurrenz belebt das Geschäft. Bündnis 90/ Die Grünen werden sich heute über ihr Wirtschafts- und Umweltprogramm für das Wahljahr 1994 streiten. Dem Länderrat der Partei, der in Göttingen tagt, liegen zwei in zentralen Bereichen unterschiedliche Entwürfe vor.

Der Vorstand der Partei hat sich ein Papier der Programmkommission zu eigen gemacht, das mit den Milliarden aus der ökologischen Steuerreform die Arbeitslosenversicherung entlasten und den Umbau im Osten fördern will. „Energie und Rohstoffverbrauch müssen teurer werden. Gleichzeitig wollen wir die Abgabenbelastung der menschlichen Arbeit senken.“

Ein Gegenantrag der nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten Manfred Busch, Katrin Grüber und Daniel Kreutz, der EuropapolitikerInnen Hiltrud Breyer und Frieder O. Wolf und des ostdeutschen Vorstandsmitglieds Friedrich Heilmannn will hingegen mit mehr Öko-Abgaben mehr Geld einnehmen und damit „den Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs, die Erschließung erneuerbarer Energiequellen, ... die Entwicklung abfallarmer Technologien, das ökologische Bauen sowie die Erforschung ressourcenschonender Produkte und Verfahren“ direkt fördern. Ende der neunziger Jahre sollen jährlich 140 Milliarden Mark neu eingesetzt werden können.

Energie- und Ressourcenverbrauch müssen erheblich belastet werden – darin ist sich die Partei noch einig. Doch die unterschiedlichen Reformstrategien wurzeln in verschiedenen Analysen der Wirtschaftskrise in Deutschland. Der Entwurf des Bundesvorstandes nimmt die Standortdebatte insoweit auf, als er sagt, der Faktor Arbeit muß billiger werden und die Unternehmen müssen für die Kosten der ökologischen Steuerreform an anderer Stelle entlastet werden. „Selbst wenn die Lohnstückkosten im Durchschnitt aller Branchen und Betriebe nicht gestiegen sind, gerade in manchen arbeitsintensiven Betrieben sind die Kosten viel zu hoch. Und dort muß man Arbeitsplätze erhalten, nicht in der kapitalintensiven Mineralölindustrie“, begründet Programmkommissionsmitglied Wolfgang Helm diese Position.

Busch und Co sind da ganz anderer Meinung. Die Krise der deutschen Wirtschaft sei keine Kostenkrise. Vielmehr seien „die deutschen Lohnstückkosten im internationalen Vergleich in den letzten zehn Jahren nicht gestiegen, sondern sogar gesunken“. Co- Autor Manfred Busch bezieht sich an dieser Stelle ausdrücklich auf ein entsprechendes Gutachten des DIW. Öko-Steuern dürften deshalb nicht mißbraucht werden, um Unternehmen pauschal zu entlasten oder „Löcher in den öffenlichen Haushalten (Bund, Länder, Sozialversicherungen) zu stopfen“.

Streit wird es in Göttingen auch um die Einschätzung der Gentechnik geben. Während der Vorstandsentwurf ihr im Bereich der Medizin Beiträge zur Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen zutraut, die überprüft werden müßten, lehnen Umweltpolitikerinnen wie Katrin Grüber und Hiltrud Breyer diese Technologie kategorisch ab. Gentechniker hätten auch in der Medizin nur Versprechen gegeben, die sie nicht einhalten könnten, und die Nebenwirkungen der Technik unterschätzt.

In anderen Fragen ist sich die Partei inzwischen weitgehend einig: die 30-Stunden-Woche zur Arbeitsumverteilung und die Einführung einer sozialen Grundsicherung. Die Lasten von deutscher Einheit und Sozialstaat sollen über eine Investitionshilfeabgabe für Unternehmen, einen Solidaritätszuschlag für Gutverdienende und eine Erbschafts- und Bodensteuerreform hereingeholt werden. Geplant ist auch ein Programm für „Arbeitsförderbetriebe“. Eine Millionen Menschen sollen dort „Produkte und Dienstleistungen zu marktüblichen Preisen anbieten, unternehmerisch kalkulieren“ und ihre Kosten so weitgehend selbst decken. Der Zuschußbedarf von 15 Milliarden Mark jährlich könnte zum Teil aus einer Arbeitsmarktabgabe für Selbständige und Beamte finanziert werden.