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Szenen einer Länderehe

Es kracht zwischen Berlin und Brandenburg  ■ Von Dieter Rulff

Berlins Senatssprecher Michael-Andreas Butz fühlte sich Anfang der Woche an selige Kalter- Krieg-Zeiten erinnert. Möglicherweise, so höhnte er am Dienstag über die nur noch imaginäre Grenze Richtung Potsdam, finde man dort „auch Gefallen am Mindestumtausch, nämlich 25 Mark – für Rentner die Hälfte – Eintritt pro Person und Tag in Brandenburg“. Doch soviel wollte Brandenburgs Umweltminister Matthias Platzeck gar nicht kassieren. Er hatte lediglich einen Beitrag der Berliner für den Erhalt der brandenburgischen Erholungsgebiete erwogen und damit die Butz-Attacke provoziert. Die „Öko-Maut“ brachte die Berliner Gemüter in Wallung, die „Platzeck-Grenze“ ließ bei Butz die „Erinnerung an DDR-Grenzschikanen“ aufleben.

Es ist nicht die einzige Reminiszenz an den früheren Zwei-Staaten-Status, die zur Zeit das Verhältnis der Hauptstadt zum umliegenden Bundesland prägt. Frostig und zäh wie bei Passierscheinverhandlungen geht es zu, wenn sich die Delegationen beider Bundesländer treffen, um die Modalitäten einer Fusion auszuloten. Das Vorhaben der Ländervereinigung wurde schon bald nach der deutschen Einheit auf den Weg gebracht, doch mittlerweile droht es in einem Gestrüpp von Detailverhandlungen und Partialinteressen hängenzubleiben. Bereits vor Weihnachten sollte der Fusions- Staatsvertrag ausformuliert sein. Der Termin platzte. Vorgestern trafen sich die beiden Länderchefs Eberhard Diepgen (CDU) und Manfred Stolpe (SPD) erneut, um den schwierigsten Brocken auf dem Weg zur Fusion beiseite zu räumen – die künftige Verteilung der Aufgaben und Finanzmittel auf das Land und die Hauptstadt, die dann nur noch Kommune sein wird. 28 Milliarden Mark an Einnahmen, so rechnet Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU), gingen von Berlin auf das gemeinsame Land über, mehr als zwei Drittel des bisherigen Berliner Haushaltes. Zugleich sollen, so die Vorstellung des brandenburgischen Finanzministers Klaus Dieter Kühlbacher (SPD), 70 Prozent der bisherigen Aufgaben bei Berlin bleiben.

Doch Pieroth hat seine Lehren aus der deutschen Einheit gezogen. „So kann es wohl nicht gehen“, beschied er seinem Amtskollegen, „Berlin tritt nicht Brandenburg bei.“ Auch bei größten Einsparungen sei ein Transfer von 8 bis 9 Milliarden Mark ins Stadtsäckel vonnöten. Bei ihrem Treffen am Donnerstag einigten sich die Delegationen lediglich darauf, daß ein Mehrbedarf Berlins prinzipiell anerkannt wird. Nun sollen die Finanzexperten diesen Bedarf quantifizieren. Ein Ende dieser Rechnerei ist nicht absehbar, weder Stolpe noch Diepgen wollten einen Termin für die Unterzeichnung des Staatsvertrages nennen. Sie machen ihre Unterschrift zudem davon abhängig, daß auch der Kommune Berlin für 15 Jahre das Stadtstaatenprivileg gewährt wird. Diese Leistung im Rahmen des Länderfinanzausgleichs würde 4,7 Milliarden Mark einbringen.

Der Berliner CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky hat die Vereinigungslatte noch höher gehängt. Er will zuvor die Bundesregierung in Berlin wirken sehen und hat den bislang angepeilten Fusionstermin 1999 auf 2003 verschoben. Landowsky hat bei dieser Terminplanung vor allem die Geschicke seiner Partei vor Augen. Ihre Akzeptanz schwindet vor allem in Ostteil Berlins, bei den Kommunalwahlen in Brandenburg firmierte sie nur noch unter ferner liefen. Die Westberliner CDU, so spottete daraufhin Stolpe, hat „Angst, im roten Meer zu versinken“. Doch auch bei der SPD hält sich die Fusionsfreude in Grenzen. Das Berliner Abgeordnetenhaus wird ab 1995 verkleinert, in einem gemeinsamen Bundesland würde der Einfluß der bislang dominanten Westberliner Kerntruppen der großen Parteien weiter schwinden.

Auf brandenburgischer Seite profilieren sich vor allem die Bürgerbewegten, die nicht mit den Grünen fusionierten, als Fusionsgegner. Deren Vormann Platzeck schießt nicht nur mit der „Öko- Maut“ quer, sondern verschleppt auch die gemeinsame Regionalplanung. So legte er eine Vielzahl von Entwicklungsschwerpunkten im Lande fest, deren gemeinsamer Nenner die Ferne zur Hauptstadt ist, währenddessen rund um Berlin der Wirtschaftswildwuchs blüht.

Widerstand droht auch von Berlins Verwaltung, deren Personal im Vereinigungsfall um 35.000 Köpfe abgebaut werden muß. Deshalb wird, je näher die Wahltermine für Landtag und Abgeordnetenhaus rücken, eine Fusion immer unwahrscheinlicher. Während Stolpe bei seinen Fusionsbemühungen bislang noch 60 Prozent der brandenburgischen Abgeordneten hinter sich sieht, kann sich Diepgen noch nicht einmal seiner eigenen Partei sicher sein. Er weiß nur, daß er sich, will er erneut Regierender Bürgermeister werden, nach dem Olympia-Debakel eine zweite Pleite nicht leisten kann.

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