Grams-Anwälte dürfen Akten lesen

■ Richter erzwingen Aktenausgabe der Staatsanwaltschaft

Berlin (taz) – Nach monatelangem Gezerre um die Todesermittlungsakte des in Bad Kleinen getöteten Wolfgang Grams dürfen die Anwälte der Eltern des erschossenen RAF-Mitglieds nun die insgesamt 20 Aktenbände einsehen. Das beschloß das Landgericht Schwerin am 30. Dezember vergangenen Jahres und verfügte zugleich, daß zuvor die Namen der unter Tötungsverdacht stehenden GSG-9-Beamten und anderer verbeamteter Zeugen geschwärzt werden müssen.

Bis zuletzt hatte sich die Staatsanwaltschaft Schwerin vehement gegen die Akteneinsicht durch die Anwälte Andreas Groß (Wiesbaden) und Thomas Kieseritzky (Frankfurt/M.) gewehrt. Aus dem Gerichtsbeschluß geht hervor, daß offenbar auch das Bundesinnenministerium versucht hatte, die Öffnung der Ermittlungsakte zu verhindern. „Die vom Oberstaatsanwalt Dr. Jäger in seiner Stellungnahme vom 23.12. 1993 mitgeteilten Bedenken des Bundesinnenministeriums teilt die Kammer nicht“, heißt es in der Begründung zu dem Beschluß. Die Staatsanwaltschaft hatte argumentiert, die Grams-Anwälte hätten in der Vergangenheit „in sachwidriger Weise Bewertungen über das Ermittlungsverfahren“ veröffentlicht und damit „Irritationen“ in der Öffentlichkeit ausgelöst. Diese Behauptung habe die Staatsanwaltschaft „nicht hinreichend konkretisiert“, entschied das Gericht. Außerdem sei „nicht nachvollziehbar“, inwieweit der Ermittlungszweck – die Erforschung der Wahrheit – durch die Gewährung der Akteneinsicht gefährdet sein könnte. Schließlich sei längst „unstreitig“, daß die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen die der Tötung von Grams verdächtigen GSG-9-Beamten einstellen will.

Die Anwälte, die der Schwärzung der persönlichen Daten der Beteiligten „im gegenwärtigen Stadium“ zustimmen, sehen sich durch den Beschluß in ihrem Rechtsstandpunkt bestätigt. Es sei „bezeichnend, daß die Staatsanwaltschaft erst durch einen Gerichtsbeschluß gezwungen werden muß, ihren gesetzlichen Pflichten nachzukommen“, hieß es in einer gestern veröffentlichten Erklärung. Gerd Rosenkranz