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: Du bist du

„Rappelkiste“, Samstag, 13.10 Uhr, 3 Sat (Erstsendung 1974)

„Vom Anderswerden und vom Bleiben“: Beinahe zwanzig Jahre ist es her, daß die „Rappelkiste“, das ZDF-Pendant zur „Maus“ und zur „Sesamstraße“, mit diesem Thema über den Bildschirm ging. Seit das Fernsehen die Reflexion der eigenen Geschichte entdeckt hat, hat man Gelegenheit zum überprüfenden Vergleich. Was bedeuteten die Begriffe damals? Würde die Sendung heute anders aussehen?

Mit Sicherheit. Denn vor dem Hintergrund einer multikulturellen Gesellschaft, in der „Anderssein“ – und das heißt auch „Andersbleiben“ – wesentlich geworden ist, müssen die Begriffe nicht nur pädagogisch neu gedacht werden. Doch derlei kannte man 1974 (noch) nicht. Von Bildungsreform und Kinderladenbewegung auf den Selbstverwirklichungstrip gebracht, hieß die pädagogische Lieblingsbeschäftigung „Identitätsbildung“, und ihre zeitgemäße Botschaft lautete: „Du bist toll, egal wie du bist. Du bist du. Und wenn du nur du bist, wird alles gut.“

„Wer und wie bin ich?“ – gerade Kinder antworten auf diese Frage gern extrem flexibel und machen mit dem Wunsch nach „Anderswerden“ spielerisch Ernst. Das war dem „Rappelkisten“-Team offenbar unheimlich. Kreuzbrav galt die Parole: „Anderswerden“ ist nicht erstrebenswert, nur das „So-Bleiben“ zählt. Identität, lernen also die Kids, beruht auf Unterschieden. Die sind aber gar nicht wichtig, sondern beschränken sich auf individuelle Eigenschaften wie zu groß/zu klein oder feige/mutig. Am Ende werden sie entweder belanglos werden oder verschwinden. Der Kleine kommt nicht ans oberste Regalfach, der Große stößt sich dafür den Kopf am Türrahmen – selbst in der Differenz sind eben alle gleich. Geheime Sehnsüchte, ein anderer zu sein, werden deshalb auch freundlich, aber bestimmt auf die Vernunft rückverpflichtet: Wer unsichtbar oder ein Riese ist, den erkennen die anderen ja nicht wieder.

Ebenso kurzsichtig wie selbstgewiß warnten die Aufbruchs- Pädagogen auch vor „falschen“ Medienhelden: In einem Zeichentrickfilm ahmen einige Kinder Superman, Donald Duck und Bugs Bunny nach. Der Rest gähnt. Erst als die Truppe auf einer Holzwand sich selber zeichnet – „Das bin ich und das bist du“ – ertönt endlich das frohe Lachen glücklich spielender Kinder. Und das hören alle Pädagogen gern. Barbara Häusler