Streit um müllschluckenden Goldesel

■ Umweltsenator will DDR-Technologie in Bremen erproben / Widerstand von allen Seiten

Was passiert mit dem Bremer Müll, wenn 1997 die Müllverbrennungsanlage im Blockland tatsächlich wie versprochen stillgelegt wird? An dieser Frage ist in den letzten Tagen hinter den Kulissen ein heftiger Streit entfacht, in dem Umweltsenator Ralf Fücks und sein Staatsrat Uwe Lahl selbst innerhalb der eigenen Behörde kaum Unterstützung haben. Während Fücks und Lahl nämlich in einer Anlage zur „Flugstromvergasung“ das Zaubermittel zur Lösung des Bremer Müllproblems sehen, werfen ihnen KritikerInnen vor, sich damit aufgrund wenig fundierter Informationen auf ein völlig unerprobtes und zu teures Verfahren festgelegt zu haben.

Grundlage der Diskussion ist ein Gutachten, in dem zwei Ingenieurbüros im Auftrag des Umweltsenators sechs verschiedene Verfahren untersucht haben, mit denen die rund 350.000 Tonnen Müll beseitigt werden könnten, die in Bremen ab 1996 trotz Getrenntsammlung und gelben Säcken noch anfallen werden. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, daß eine „integrierte Flugstromvergasungsanlage“ dafür am besten geeignet sei. Dabei handelt es sich um ein in der DDR für die Braunkohlevergasung entwickeltes Verfahren, das den vorsortierten Müll unter Druck und hoher Temperatur nicht verbrennt, sondern in Gas und Schlacke umwandelt. Als Endprodukte sollen dabei Koks, Schlackegranulat, Methanol und Schwefel entstehen – allesamt Stoffe, die sich in der chemischen Industrie und der Bauwirtschaft gut vermarkten ließen. Zudem soll die Anlage ausreichend Gas für den eigenen Betrieb erzeugen, insgesamt also eine Art müllschluckender Goldesel.

Bremen würde mit einer solchen, rund 400 Millionen Mark teuren Anlage absolutes Neuland betreten. „Sicherlich ist hier das technologische Risiko höher als bei der konventionellen Rostfeuerung (=Müllverbrennungsanlage) einzustufen“, heißt es denn auch in dem Gutachten. Angsichts der „Möglichkeit, Bundes- und EG-Mittel einzuwerben“ und der im Land Bremen „idealen Voraussetzung“, daß mit den beiden vorhandenen Müllverbrennungsanlagen „eine vorhandene Entsorgungssicherheit gegeben ist“, könne man dieses Risiko aber durchaus eingehen.

Das unterstreicht auch Umwelt- Staatsrat Uwe Lahl: „Alle Alternativen zur Müllverbrennung sind innovative Techniken, mit denen man sich erst anfreunden muß.“ Die besondere Ablehnung, auf die die Flugstromvergasung stößt, erklärt er sich auch damit, daß die Technik im Osten entwickelt wurde: „Westdeutsche Ingenieure denken noch immer, was aus der DDR kommt, kann nichts taugen.“ Die Lizenz für die Flugstromvergasung hat inzwischen allerdings die Würzburger Firma Noell, eine Preussag-Tochter, von der Treuhand gekauft. Sie hat auch großes Interesse an der Verwirklichung einer Demonstrationsanlage in Bremen.

Bei den „Bremer Entsorgungsbetrieben“ (BEB), die den MVA- Ersatz bauen und betreiben sollen, ist eine Euphorie für diese Zaubertechnik allerdings nicht zu spüren. „Läßt sich das dort produzierte Methanol überhaupt verkaufen?“ fragt BEB-Chef Dieter Voigt und fügt an: „Die Kosten einer solchen Anlage sind für uns ein sehr wichtiges Kriterium.“ Zu einer abschließenden Meinung sei man im BEB- Führungsgremium allerdings noch nicht gekommen.

Deutlicher ist der Widerstand in der Umweltbehörde selber zu spüren. „Was soll eigentlich der Vorteil gegenüber der umfassend erprobten und deutlich billigeren Müllverbrennung sein“, wird dort gefragt. Und: „Die Flugstromvergasung erzeugt im Unterschied zur Verbrennung keine Energie, verbraucht dafür aber sehr viel Wasser und produziert eine entsprechende Menge Abwasser.“ Auch der Umweltverband BUND lehnt die Flugstromvergasung ab und präferiert eine gute Sortierung, biologische Behandlung und anschließende Deponierung des Mülls. Sprecher Bernd Langer: „Das erhöht im Unterschied zu einer Müllverwertung auch den Druck, schneller zur Reduzierung der überflüssigen Müllproduktion zu gelangen.“ Die FDP schließlich denkt vor allem ans Geld und setzt sich für den Neubau einer Bremer Verbrennungsanlage ein.

Diese gerade erst aufgeflammte Mülldiskussion wird Anfang Februar allerdings erstmal wieder zu Ende sein. Dann nämlich will die Deputation die Entscheidung fällen, für welches Verfahren die Detailplanung erarbeitet wird. Und die wird mindestens ein Jahr dauern. Erst danach steht dann mit der Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens neuer Streit ins Haus.

Ase