Potsdam bald überall?

■ Berlins Datenschützer protestiert gegen geplante Durchleuchtung aller Wähler / Senat weiß von nichts

Die Affäre um die Massendurchleuchtung der Brandenburger Wahlbürger ist noch voll am Kochen, da bahnt sich ein neuer Skandal an. Die Bonner Koalitionsparteien haben am 8. Dezember einen Gesetzentwurf mit dem Titel „Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes“ vorgelegt. Dieser Entwurf soll bereits in der ersten Februarwoche im Bundesrat beraten und bis zum Beginn des Wahlmarathons verabschiedet werden. Sollten sich die Innenressorts von CDU- und FDP-Fraktion durchsetzen, dann ist Potsdam überall.

Dann können die Innenministerien der neuen Bundesländer, aber auch die Senatsinnenverwaltung von Berlin „zu Zwecken der Feststellung eines Ausschlusses vom Wahlrecht...“ Führungszeugnisse von allen wahlberechtigten Bürgern verlangen. Sollten die Beamten bei der Durchleuchtung der Millionen von Führungszeugnissen etwa Vorstrafen feststellen, dann dürfen die Innenministerien den Meldebehörden die Eintragungen mitteilen.

Gegen diese Pläne hat gestern der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka protestiert. „Es kann doch nicht sein, daß Berliner und die Bürger in den neuen Ländern nur mit Führungszeugnissen wählen dürfen.“ [Die Regierung sucht sich ihr Wahlvolk eben aus, säzzer] Garstka forderte den Senat auf, bei den Beratungen im Bundesrat dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen.

Beim Berliner Innensenat war gestern weder die CDU-FDP-Gesetzesinitiative bekannt, noch lag ihnen der Protest des Berliner Datenschutzbeauftragten vor. Sprecher Hans-Christoph Bonfert sah sich deshalb auch nicht in der Lage, für den Innensenat eine Stellungnahme abzugeben. Bevor Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) dies tut, sollte er sich vielleicht mit dem Brandenburger CDU-Fraktionschef Dieter Helm auseinandersetzen. Der bezeichnete nämlich die massenhafte Durchleuchtung anläßlich der letzten Kommunalwahlen als „Datenschutzskandal“, der ihn obendrein fatal an „alte Zeiten“ erinnere. Diplomatischer äußerte sich gestern hingegen ein Sprecher der Bonner CDU-Fraktion. Die Überprüfung in Brandenburg sei nur deshalb „illegal“ gewesen, weil sie ohne „Rechtsgrundlage“ geschah. Anita Kugler