RAI in der Tube?

■ Der italienische Sender ist finanziell ausgequetscht

Mal wurde sie als „alte Mama“ gescholten, mal als „langer Arm Moskaus“. Die Vorwürfe reichten von „Verschleuderung öffentlicher Mittel“ bis zur „Proporzanstalt Nummer eins der großen Parteien“: Der öffentlich-rechtlichen RAI gelang es trotzdem immer wieder, ansehnliche Formate zu entwickeln, Filmproduktionen, Politmagazine und bürgernahe Übertragungen, um die jedes Land die Italiener nur beneiden konnte.

Nun soll damit wohl endgültig Schluß sein – ein erst im vorigen Jahr beschlossenes Rundfunkgesetz hat eher kontraproduktive Wirkungen fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen gezeitigt, ein Ende dieses Jahres noch schnell ausgedachtes Finanzhilfegesetz namens „Salva RAI“ (RAI-Rettung) kommt wohl schon zu spät.

Tatsächlich spielt sich auf dem Feld der RAI-Politik eine der merkwürdigsten Perversionen des italienischen Systems ab: Da wird von „gleichen Bedingungen für öffentliche wie private Informationsfirmen“ geredet – völlig unter den Tisch fällt dabei, daß der öffentlich-rechtliche Rundfunk immerhin unter der Kontrolle demokratisch legitimierter Institutionen steht, während auf dem Privatsektor allenfalls die Gesamtzahl der Kanäle und Zeitungen in einer einzigen Hand und die Leitung durch einen ausgewiesenen Journalisten überprüft werden darf. Auch wird die Dreierzahl der staatlichen Kanäle automatisch als Begründung angeführt, daß auch der Privatfernsehkönig Berlusconi deren drei besetzen muß – und das, wo es außer ihm nicht eine einzige landesweit ausstrahlende Privatkette gibt (der vom Ausland sendende Telemontecarlo ist nur in einem Teil des Landes zu empfangen).

Just die Parteien – wie die Sozialisten, die Ex-Kommunisten und die Christdemokraten –, die nach Jahren einvernehmlicher Aufteilung des RAI-Kuchens heute so lautstark die „Abkoppelung der staatlichen Information von der Politik“ fordern, zählen nach wie vor genauestens zusammen, wieviel Minuten die jeweiligen Tagesschauen und Politsendungen ihren Parteien (und denen der Gegner) gewidmet haben. Ihre Polemik gegen den direkten Einstieg von Medienzar Berlusconi in die Politik erweist sich dabei ebenfalls als reines Schaufenstergeschrei: Längst haben sich alle Parteien zu der Überzeugung bekannt, daß man „niemandem verwehren kann, eine Partei zu gründen, auch nicht einem Fernsehmogul“ (so die Ex- Kommunisten der PDS) – die Sache wird zur reinen „Geschmacksfrage“ heruntergeredet.

Eine besonders dümmliche Rolle nimmt dabei freilich auch ein Großteil der Journalisten der RAI selbst ein: Vor allem deren männlichen Platzhirsche waren jahrelang gewohnt, über die Parteischienen ins Amt zu kommen und Karriere zu machen. Und so fühlen sie sich derzeit offenbar höchst unwohl, wenn sie sich über ausschließlich berufliche Qualifikationen beweisen sollen. So herrscht nun ein mächtiger Grabenkrieg zwischen der RAI-männlich, wo Oldtimer wie der abgehalfterte Programmchef des 2. Kanals, Sodano, nun über Gewerkschaftsagitation ein Comeback versuchen, und der RAI-weiblich, wo sich unter Führung der streitbaren Allroundkorrespondentin und „Telegiornale“- Redakteurin Lilly Gruber zahlreiche Frauen zusammengetan haben: Zwar verdankten manche von ihnen ihren Einstieg vor Jahren ebenfalls ihrer Parteinähe, doch viele von ihnen begannen schon in den 80er Jahren eine umfangreiche Professionierungskampagne, die ihren Höhepunkt erreichte, als die Hasenfüße der Herrenfraktion faktisch ausschließlich Frauen an die Front des Irak-Krieges schickten. So massiv war am Ende die Kampagne der Frauen, daß einzelne Abteilungsleiter wie der Chef des „Telegironale“, Bruno Vespa, ihren Hut nehmen mußten.

Alles umsonst, so scheint es. Für die RAI hat der Abgesang begonnen. Möglicherweise, so tuscheln jedenfalls Politprofis, war der Einstieg Berlusconis in die Politik nur diesem einen Ziel gewidmet – garantieren ihm die anderen Parteien die Totalliquidation seines einzigen Konkurrenten RAI, werde er sich wieder aufs Unternehmerische zurückziehen.

Grund für ein solches Manöver hat er reichlich – seine vielfach ineinander verschachtelten Firmen wiesen, wie der Chefredakteur von La Repubblica kürzlich akribisch nachgerechnet hat, derzeit einen Schuldenberg von umgerechnet mehr als sechs Milliarden Mark auf – und es ist keineswegs sicher, ob Berlusconi nächstes Jahr dafür noch ohne massive Verkäufe die Zinsen zahlen kann. Es sei denn, die gesamten Reklameeinschaltungen der RAI fließen von da an ihm zu. Werner Raith, Rom