Prozeß gegen „Davidianer“ eröffnet

■ Überlebende von Waco sagen aus

Berlin (taz) – Im texanischen San Antonio begann gestern der Prozeß gegen elf Anhänger der Davidianer-Sekte, die im vergangenen April Schlagzeilen gemacht hatte, als eine 51tägige polizeiliche Belagerung ihres Anwesens in Waco mit dem Tod von über 80 Menschen endete. Die zehn Männer und eine Frau sind der Beihilfe zum Mord an vier Polizisten und Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Eine Verurteilung aller Beschuldigten ist nach Ansicht von Juristen unwahrscheinlich. Viel zu umstritten sind die Ereignisse vom April, als das FBI und andere Polizeieinheiten die „Ranch Apocalypse“ des Sektenführers David Koresh stürmten.

Mindestens 80 Menschen, darunter 18 Kinder, waren damals gestorben, als das Anwesen der Sekte aus noch nicht geklärter Ursache in Brand geriet. Dem Angriff ging eine 51tägige Belagerung durch Sicherheitskräfte voraus. Die Davidianer hatten sich geweigert, ihr Anwesen auf Waffen und Sprengstoff durchsuchen zu lassen. Statt dessen schossen sie auf die Durchsuchungsbeamten. Dabei starben vier Beamte und zwei Sektenanhänger.

Für die Beendigung der „gewaltfreien“ Belagerung der Ranch und den brutalen Polizeisturm gibt es bis heute keine plausible Erklärung. Sowohl der Einsatz von CS- Tränengas als auch die Panzerwagen, mit denen die Polizei versuchte, die Mauern einzurammen, waren nach Ansicht von Experten unnötig. Als die Beamten schließlich das Gebäude stürmten, fanden sie nur eine Handvoll Überlebender zwischen verkohlten Leichen. Laut offiziellen Angaben war es ein Massenselbstmord, zu dem der 33jährige Davidianer-Anführer Koresh, ein selbsternannter „Jesus Christus“, seine Anhänger getrieben haben soll.

Bei dem Prozeß, der auf mindestens drei Monate angesetzt ist, sollen zum ersten Mal in der Öffentlichkeit die Überlebenden gehört werden. Katrin Wienefeld