Antrag zur Revolution

■ Die AG Volksbegehren wollte gestern an 50 Orten Unterschriften sammeln, doch nur 35 waren voll besetzt / Dennoch Optimismus: bis Ende Januar 80.000 Unterschriften

„Wir Deutschen sind so lahmarschig; wenn wir 'ne Revolution machen wollen, stellen wir vorher einen Antrag.“ So faßte Norbert Schiller die Unterschriftenaktion von TU-StudentInnen für ein Volksbegehren auf. Daß der Alt-68er doch unterschrieb, ist das Verdienst von Monica Christaller, die gestern ab 11 Uhr mit Plakaten und Listen am Wittenbergplatz stand. Die Studentin für Stadt- und Regionalplanung konnte den Taxifahrer davon überzeugen, daß man „nicht gleich ein Rathaus erstürmen muß, um politische Veränderungen zu erreichen“.

Die ersten zwei Stunden stand die 33jährige alleine da. Ihre KollegInnen waren nicht erschienen. Dieses Organisationsproblem deutete sich schon vor der gestrigen Großsammelaktion an. Von den geplanten 50 Sammelstellen waren gestern 35 voll besetzt, 15 weitere konnten nach Angaben von Felix Roth-Seefried vom Koordinationsbüro der AG Volksbegehren nur mit halber Besetzung arbeiten. „An Plätze, die außerhalb sind, wollte keiner hin“, erläuterte sein Kollege Sebastian Göbel die Probleme. Außerdem seien statt der geplanten 300 SammlerInnen nur 250 im Einsatz. Trotzdem hoffe die AG Volksbegehren, zwischen 11 und 17 Uhr 9.000 Unterschriften auf Papier zu bringen, „vorausgesetzt, es regnet nicht“.

Monica Christaller hatte unterdessen alle Hände voll zu tun, denn willige UnterschreiberInnen gab es allemal. Ein 32jähriger Chemiker suchte schon seit Wochen nach einem Stand und kam extra wegen der Unterschrift zum Wittenbergplatz. „Die Große Koalition ist das letzte. Ich hoffe, das wird jetzt anders.“ Auffallend viele ältere Menschen unterstützten das Ansinnen der Studentin, das Abgeordnetenhaus vorzeitig neu zu wählen. Walter Schmidt, ein 68jähriger Rentner, mußte dieses Jahr 123 Mark Wohngelderhöhung hinnehmen. „Wie soll ich das bezahlen, wenn die Rente gleich hoch bleibt?“ fragte er. „Die Regierung muß abgelöst werden!“ Ein 52jähriger Berliner sieht das anders. „Die sind von uns gewählt. Deshalb haben sie auch das Recht, Mist zu bauen.“

Am Kaiser-Wilhelm-Platz in Schöneberg stand Matthias mit zwei Kommilitonen und dem „TU- Glühmobil“, das die PassantInnen mit Tee und Glühwein anlocken sollte. Hier jedoch lief alles schleppend an. „Das ist nich so 'ne revolutionäre Gegend“, begründete der 24jährige Maschinenbaustudent das Verhalten der BürgerInnen. Außerdem habe die lange Pause in den Weihnachtsferien der Aktion geschadet. „Ist das hier schon die zweite Runde?“ fragte denn auch ein Passant, der schon vor Wochen unterschrieben hatte.

Trotz des schleppenden Beginns war bereits am Nachmittag abzusehen, daß die Aktion zunehmends besser lief. „Das ist fast schon ein Super-Erfolg“, meinte Felix Roth-Seefried zufrieden. Auch Monica Christaller hatte mittlerweile vier KollegInnen an ihrer Seite. Eine Hochrechnung soll heute folgen, bis Ende des Monats sollen die 80.000 Unterschriften gesammelt sein. Martin Hörnle