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Im Land des Lächelns Von Andrea Böhm

Imagepflege ist die hohe Kunst der Politik – mittlerweile vielleicht auch die einzige. Das wissen vor allem jene, an deren Image es einiges zu liften gibt, um Fratzenbildung zu vermeiden. Die chinesische Regierung hatte da viel zu tun, nachdem sie im Juni 1989 Panzer über demonstrierende Studenten hatte rollen lassen. Aber das Ausland reagierte bekanntlich mit Nachsicht. Hier ein bißchen Puder nachgelegt, dort ein wenig Pomade aufgetragen – und die ZK-Masken der chinesischen KP waren international wieder salonfähig. Nun demonstrieren sie, wie man die Marktwirtschaft ohne Demokratie praktiziert, und das ist der westlichen Welt so tausendmal lieber als andersherum.

Nun gibt es immer wieder ein paar Nörgler und Prinzipienreiter, die am Make-up kratzen und lästige Erinnerungen ausgraben. In den USA gehören dazu ein paar Kongreßabgeordnete, ein paar Menschenrechtler und ein paar Prominente wie der Schauspieler Richard Gere. Da gibt es in den solcherart irregeführten Köpfen der Amerikaner doch noch etwas zu korrigieren, dachte sich die chinesische Regierung – und ließ durch diverse Strohmänner im sonnigen Florida einen chinesischen Vergnügungspark eröffnen. Diese Idee ist ebenso originell wie tückisch, denn Vergnügungsparks sind für die Amerikaner immer noch Orte der unbefangenen Regression und Unschuld, in denen sie nichts Schlechtes vermuten – auch keine Propagandamanöver ausländischer Regierungen.

Die chinesische Regierung hat ihren Park auf den Namen „Splendid China“, das „Herrliche China“, getauft. Es gibt zwar keine Achterbahnen, keine Riesenschaukeln oder Wasserrutschen. Aber für 23 Dollar Eintritt können die Besucher durch 73 verkleinerte Nachbildungen chinesischer Landschaften wandeln: Die Chinesische Mauer, die verbotene Stadt oder den Potala-Palast in Tibet. Dort herrscht mit aller Brutalität seit 1950 die chinesische Armee, doch das erfährt im „Herrlichen China“ kein Mensch. Und wer in Florida durch das „Herrliche Bejing“ läuft, findet auch weder Blut- noch Panzerspuren, dafür aber Lobgesänge auf die angebliche Religionsfreiheit und Minderheitenrechte. Um die Harmonie perfekt zu machen, hätte man sich noch ein paar glücklich lächelnde Dalai Lamas aus Porzellan gewünscht, doch für Leben im „Herrlichen China“ müssen 150 chinesische Künstler und Schausteller sorgen, die man eigens aus dem realen China geholt hat. Aus Angst, die könnten das umliegende Florida so herrlich finden, daß sie gleich Asyl beantragen, werden die Arbeiter des „Herrlichen China“ nach Feierabend in einem eigens angekauften Hotel beherbergt und beaufsichtigt. Am Ende könnte sich der Bau des „Herrlichen Chinas“ als gigantische, kosmetische Fehlinvestition erweisen. Erstens erinnern sich viele Amerikaner noch sehr gut an das reale China vom Juni 1989; zweitens sind inzwischen tatsächlich lebendige tibetanische Mönche im „Herrlichen China“ aufgetaucht – aber nicht zum Posieren, sondern um zu demonstrieren. Drittens gibt es im „Herrlichen China“ keine Wasserrutschen, keine Achterbahn oder Todesspirale, keine mannshohen Mickymäuse oder Goofys. Und selbst Deng Xiaoping im Panda- Kostüm auf Stelzen würde die Sache nicht mehr retten.

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