Spielball der Networks

■ Der US-Sport gerät in immer größere Abhängigkeit von den TV-Gesellschaften / Programmdirektoren bestimmen Regeln

New York (dpa) – Nichts ist unmöglich und alles erlaubt. Der US- Profisport ist längst ein Spielball der Networks, die seit mehr als einem Jahrzehnt Regeländerungen, Austragungsmodi und Startzeiten nahezu im Alleingang durchgesetzt haben. Keiner stört sich im TV-Schlaraffenland USA allerdings daran, weil Fernsehen und Sport eine der fruchtbarsten Beziehungen der amerikanischen Busineß-Welt eingegangen sind. Die Profiligen verkaufen sich regelmäßig an den Höchstbietenden und lassen sich dafür teilweise unglaubliche Bedingungen in die Verträge diktieren. Die National Basketball Association (NBA), die wie die National Football League (NFL) Fernseh-Timeouts für Werbespots bereits vor Jahren als selbstverständlich akzeptierte, gestattet mittlerweile sogar Kameras bei Spielerbesprechungen.

„Als nächstes verkaufen die Ligen noch ihre Seele“, sagte ein bekannter CBS-Regisseur. Major League Baseball (MLB) ist das beste Beispiel. Vor vier Jahren hatte CBS für die Rekordsumme von 1,06 Milliarden Dollar die Fernsehrechte erworben. Als der Vier- Jahres-Vertrag im Oktober abgelaufen war und der TV-Gigant mehr als eine halbe Milliarde Dollar verloren hatte, brach MLB mit einer jahrzehntelangen Tradition. In der kommenden Saison wird es statt vier erstmals acht Play-off- Teilnehmer geben. Mit freundlichen Grüßen von NBC und ABC. Die Networks versprechen sich so höhere Einschaltquoten, mehr Sponsorengelder und weniger Verluste. Die übliche Kettenreaktion. Daß über Startzeiten längst die Programmdirektoren entscheiden, gehört zum Geschäft. NFL- Begegnungen, früher ausschließlich am Sonntag nachmittag, finden mittlerweile regelmäßig montagabends, sonntagabends, samstags und bald auch donnerstags statt. Noch schlimmer sind die Auswirkungen im College-Sport. Die Universitäten, die die TV-Dollars so dringend brauchen, nehmen dafür sogar einen Spielbeginn um Mitternacht in Kauf. Selbst vor den Olympischen Spielen macht die Entwicklung nicht halt. Die Sommerspiele 1996 in Atlanta werden erstmals 17 Tage lang dauern, weil NBC einen Tag mehr olympische Sendezeit für seine Werbepartner beanspruchte.

„Fernsehen ist natürlich ein wichtiger Partner für uns, und wir werden immer versuchen, so gut es geht mit den TV-Wünschen zu kooperieren“, hatte NBA-Boß David Stern einmal gesagt. Daumengroße Kameras machen Athleten und sogar Sportgeräte inzwischen zu einem wichtigen Teil der Produktion. Bei den Winterspielen in Lillehammer sollen alle Torhüter der US-Eishockey-Teams mit der Mini-Kamera ausgestattet werden, ABC hatte das technische Wundergerät sogar bereits in Bowling- Kugeln installiert.

Veranstaltungen wie die „Skins Games“ im Golf wurden extra fürs Fernsehen geschaffen. Medienmogul Ted Turner hatte diesen Trend bereits in den 80er Jahren erkannt und die Goodwill Games erfunden. Offiziell wollte der Milliardär helfen, den Kalten Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion zu beenden, aber tatsächlich hatte er nach einem interessanten und finanziell lukrativen Programm für seine eigenen Kabelstationen gesucht. „Ich ziehe es vor, daß mir eine Veranstaltung gehört, statt daß ich dafür TV-Rechte kaufen muß. Das ist doch klar“, sagte der Milliardär.

Die ständig zunehmende Zahl an TV-Stationen in den USA fordert mehr Unterhaltungsprogramme, und Sport spielt dabei eine wichtige Rolle. Zumal Experten schätzen, daß bald jeder Haushalt knapp 500 Programme empfangen kann. In verzweifelter Suche nach Material für die Nachmittage entschied der Sport-Kabelsender ESPN kurzerhand, eine Rollhockey-Liga zu gründen.

Auch in dieser Beziehung war Baseball richtungweisend. Nach den Riesenverlusten von CBS war MLB bereit, beim neuen TV-Vertrag das finanzielle Risiko mitzutragen. Die Networks ABC und NBC wurden durch ihre Unterschrift unter den neuen Baseball- Vertrag gleichwertige Partner mit der Liga und sind somit in alle Marketing-Entscheidungen des Sports verwickelt. Wenn sich solche Beziehungen durchsetzen, wird der Einfluß des Fernsehens auf den Sport noch größer werden.