Palästinenser töteten Palästinenser

■ Die israelische Menschenrechtsorganisation B'tsalem prangert die Ermordung angeblicher Kollaborateure an

Tel Aviv (taz) – Zwischen 750 und 950 Palästinenser sollen nach Angaben des israelischen Informationszentrums für Menschenrechte in den besetzten Gebieten, B'tsalem, seit Beginn der Intifada im Dezember 1987 von Palästinensern umgebracht worden sein. Zahlreichen von ihnen sei fälschlicherweise Kollaboration mit den israelischen Besatzern zum Vorwurf gemacht worden, heißt es in einem am Sonntag veröffentlichten Bericht. In dem über 200 Seiten starken Dokument verurteilt B'tsalem palästinensische Organisationen, die Morde nicht verhindert und in verschiedenen Fällen sogar angeordnet haben. Gleichzeitig kritisiert die Organisation aber auch die israelischen Sicherheitsbehörden, die bei der Rekrutierung palästinensischer Agenten oft brutale Gewalt oder Erpressungsmethoden angewendet haben sollen. Laut B'tsalem stehen derzeit ungefähr 5.000 palästinensische Agenten in israelischen Diensten.

Mitglieder palästinensischer Organisationen werden in dem Bericht beschuldigt, der Kollaboration verdächtige Personen zu Tode gefoltert zu haben, ohne Beweise für deren Schuld erbracht zu haben. In vielen Fällen habe es vor „Exekutionen“ nichts gegeben, „was einem ordentlichen Gerichtsverfahren ähnlich gewesen wäre und den Angeklagten die Möglichkeit gegeben hätte, sich zu verteidigen“, heißt es in dem Bericht. Über die Hälfte der Ermordeten soll gar nicht für die Israelis gearbeitet haben. Von Palästinensern gefoltert oder ermordet wurden demnach auch Drogenhändler, Prostituierte und einfache Kriminelle aus den eigenen Reihen.

Einige palästinensische Organisationen räumten nach der Veröffentlichung ein, daß es hie und da zu „Irrtümern“ und „Übergriffen“ gekommen sei. Sie wiesen aber darauf hin, daß es ihnen ohne eigenen Staatsapparat, Sicherheitsorgane, Gerichte und Gefängnisse schwer anders möglich gewesen sei, Verräter zu bestrafen oder abzuschrecken. In den meisten Fällen hätten die Getöteten Menschenleben auf dem Gewissen gehabt oder sie seien für von israelischen Sicherheitskräften durchgeführte Massenverhaftungen, Deportationen und Erschießungen mitverantwortlich gewesen.

Die israelischen Militärbehörden lobten den B'tsalem-Bericht, da dieser „zum erstenmal den Terrorganisationen volle Aufmerksamkeit schenkt“, und versprachen, „alles Notwendige zu tun, um Leute zu unterstützen, die den israelischen Behörden geholfen haben“. Auf die in dem Bericht enthaltene Kritik an ihren eigenen Praktiken reagierten die Militärs nicht. Amos Wollin