■ Mexikos Regierung will verhandeln
: Mißtrauen ist gesund

Als Mexikos Präsident Salinas beim Beginn des Aufstandes in Chiapas vor knapp zwei Wochen bereits einmal Verhandlungen anbot, da lehnten die KämpferInnen des „Zapatistischen Nationalen Befreiungsheers“ das noch ab. Was sollte es mit dieser Regierung zu verhandeln geben? Nun lädt der neue Regierungsgesandte wiederum zum „Dialog“, aber die Position der Aufständischen ist gestärkt. Die Regierungsfunktionäre und Wirtschaftstechnokraten, die so stolz waren, mit ihrem „nationalen Solidaritätsprogramm“ scheinbar die Vereinbarkeit von neoliberaler Anpassung und sozialer Abfederung bewiesen zu haben, müssen den Aufstand von Chiapas noch immer als großen Alptraum begreifen. Für Korrekturen ist es zu spät: Der Aufstand ist um die Welt gegangen, die Regierung Mexikos, die sich mit dem Beitritt zum Nordamerikanischen Freihandelspakt (Nafta) so gerne einen Platz unter den Industrienationen der „zivilisierten westlichen Welt“ sichern wollte, steht am Pranger. „Verhandlungen“ sollen jetzt retten, was vom Ansehen Mexikos noch zu retten ist.

Aber die Frage bleibt: Worüber soll denn verhandelt werden? Mehr Rechte für die indianische Bevölkerung. Schön, aber wie soll das am Verhandlungstisch konkret werden? Landbesitz für die Ausgebeuteten. Da aber stehen die Unternehmer davor, deren Interessen für die Regierung allemal bedeutsamer sind als die IndianerInnen. Die Regierung will verhandeln, um Ruhe zu haben. Zugeständnisse will sie keine machen. Was also könnte die Zapatistas dazu bewegen, ihre Waffen niederzulegen, ohne in einen politischen Hinterhalt zu tappen? Mißtrauen ist dringend anzuraten! Wenn es erst einen Waffenstillstand gibt und die Zapatistas am Verhandlungstisch sitzen, zieht die JournalistInnenkarawane aus Chiapas ab. Die Repression gegen Sympathisierende des Aufstandes, die mit einigem Zeitabstand dann zu erwarten ist, gibt international allenfalls noch Kurzmeldungen und eine Erwähnung im Jahresbericht von amnesty international. Die Welt wendet sich dem nächsten Schauplatz zu. Die Stärke, die sich die Zapatistas erkämpft haben, ist gleichzeitig ihre Schwäche – das Zurückfahren einer Eskalation hat schon manche Bewegung das Leben gekostet. Bernd Pickert