■ Urteil gegen Horst Theissen
: Kleine Rehabilitierung

Fünf Jahre nach dem in der BRD-Geschichte beispiellosen politischen Urteil gegen den Memminger Arzt Horst Theissen wegen „illegaler Abtreibung“, ein Jahr nach dem nicht minder politischen BVG-Urteil zum Schutz des ungeborenen Lebens per „Beratungs“-Pflicht, ist Entgiftung des Klimas angesagt. Beides waren nicht enden wollende herrschaftliche Exerzitien für die Gehorsams- und Gebärpflicht der Frauen. Ein Freispruch Theissens war danach nicht zu erwarten, aber die durch das Augsburger Landgericht ergangene Mäßigung des Strafmaßes ist deutlich. Dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf 18 Monate Bewährungsstrafe und Aufhebung des Berufsverbotes wurde in Gänze entsprochen.

Das ist eine wichtige Erleichterung für den schwer getroffenen Horst Theissen, der mit seiner ganzen Person mit den Frauen solidarisch war. Es ist nicht minder wichtig für die Frauen, denen man offensichtlich eine Art Wiedergutmachung schuldig zu sein glaubt.

Die Staatsanwaltschaft ist es, die jetzt die Fragwürdigkeit des ursprünglichen Urteils selbst unter konservativster Rechtsauslegung deutlich macht. Nicht nur die schon damals eingetretene Verjährung von 20 der 36 zur Last gelegten Fälle, insbesondere der nun bescheinigte „sehr fürsorgliche und aufopfernde Umgang“ Theissens mit seinen Patientinnen machte das einst ausgesprochene Strafmaß maßlos.

Dennoch gibt es für das Gericht im entscheidenden Punkt kein Fackeln: Der Schutz des ungeborenen Lebens darf gegenüber Eigentumsdelikten und Kleinkriminalität nicht zurückgeschraubt werden. Auch das BVG-Urteil schaffe keine neue Rechtslage, hatte der Staatsanwalt behauptet. Die Verletzung der Beratungspflicht bewertete er so hoch wie zuvor den Verstoß gegen den alten Paragraphen. Damit ist klar, über welchen Hebel die Repression in Zukunft angesetzt wird. Nachdem die Verfahrensweisen modernisiert und die Machtverhältnisse in Sachen § 218 erneut kodifiziert und entschieden sind, können sich Gerichte auf dieser Basis wieder leisten, mit den Frauen freundlicher und milder umzugehen. Die Frauen werden es als Bestätigung zu würdigen wissen, sich weder täuschen noch ermüden lassen und am Ende auf ihr alleiniges Selbstbestimmungsrecht zurückkommen. Mechtild Jansen

Die Autorin ist freie Journalistin in Köln