Potsdams Datenskandal

■ Innenminister Ziel will nichts von Massenüberprüfung gewußt haben

Potsdam (taz) – Der Bauer hat sich selbst geopfert. Am Dienstag abend hat Brandenburgs Landeswahlleiter Ulrich Hoffmann wegen der umstrittenen Massenüberprüfung von rund zwei Millionen Bürgern vor der Kommunalwahl 1993 seinen Rücktritt erklärt. Hoffmann hatte es versäumt, den Landesdatenschutzbeauftragten in die Aktion einzubeziehen. Den Vorwurf, die Wahlberechtigten „rechtswidrig bespitzelt zu haben“, wies Hoffmann erneut zurück. Die Überprüfung sei mit Bundes- und Landesbehörden abgesprochen worden.

Dies streitet Brandenburgs Innenminister Ziel jedoch ab. Ziel will von der Aktion nichts gewußt haben. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Bündnis-Fraktion, Rolf Wettstädt, weiß aber, daß „Referate des Innenministeriums“ einen Rundbrief unterzeichnet hätten, in dem die Meldestellen über den Umgang mit den Führungszeugnissen unterrichtet worden seien. „Auch wenn Ziel nicht weiß, was in seinem Haus vorgeht, trägt er dafür die politische Verantwortung“, sagte Wettstädt gegenüber der taz.

Ziels Rechenschaftsbericht vor dem Potsdamer Kabinett vom Dienstag ließ zudem Fragen offen. Der Innenminister sei von der Landesregierung aufgefordert worden, das nächste Mal „eine lückenlose Darstellung der Überprüfungsaktion“ zu geben, hieß es gestern. Ziel muß heute dem Innenausschuß des Landtages Rede und Antwort stehen. „Entscheidend ist, ob Ziel Kenntnis von diesen Vorgängen hatte oder nicht“, meinte das PDS-Ausschußmitglied Michael Schumann. Der PDS-Abgeordnete fordert eine lückenlose Aufklärung.

Hoffmann hatte die Überprüfung durch das Bundeszentralregister (BZR) beantragt, da die Melderegister in den Gemeinden der neuen Bundesländer nur wenig Hinweise über Ausschlüsse vom Wahlrecht enthalten. Das liegt daran, daß die Meldebehörden der neuen Länder die Einwohnerdaten aus dem Zentralen Einwohnerregister der DDR erhalten haben. Nach Ansicht des Landeswahlleiters war eine rechtsmäßige Durchführung der Wahl ohne diese Daten nicht gewährleistet.

Das BZR ist dem Bundesjustizministerium untergeordnet. Im Oktober letzten Jahres stoppte dieses Ministerium schließlich die Aktion. Das BZR-Gesetz „gibt das nicht her“, sagte der Bonner Justizsprecher Mathias Weckerling. Heute wird ein Gesetzentwurf, der die Überprüfung der BürgerInnen in den neuen Bundesländern ermöglichen soll, in den Bundestag eingebracht. Solche Verurteilungen, die zu DDR- Zeiten „nicht nach rechtsstaatlichen Prinzipien zustandegekommen sind“, so Weckerling, seien jedoch aus den Melderegistern bereits gestrichen worden. Anja Sprogies