Systematische Verhinderungen

■ Polizeibeobachter aus dem Kölner Polizeibeirat gefeuert / SPD/CDU wollen totale Abschottung des Gremiums

Köln (taz) – Die Institution kennt kein anderes Bundesland. Nur in Nordrhein-Westfalen haben die kommunalen Parlamente das Recht, der örtlichen Polizei Beiräte zuzuordnen. Sie sollen, so schreibt es das Polizeigesetz vor, das „vertrauensvolle Verhältnis“ zwischen Polizei, Bevölkerung und der jeweiligen Kommune fördern und „Anregungen und Wünsche“ an die Polizei herantragen. Auch Beschwerden über die Polizei, „deren Bedeutung über den Einzelfall hinausgeht oder an deren Behandlung ein öffentliches Interesse besteht“, muß der Beirat aufgreifen.

Beschwerden, Anregungen und Wünsche hatte der Kölner Lehrer Kurt Holl, der die Grünen im örtlichen Polizeibeirat während der letzten 5 Jahre vertrat, genug. Als er allerdings daran ging, die hehren Ansprüche auch in die Praxis umzusetzen, stieß er auf Granit. Nicht so sehr bei der im Polizeibeirat nicht stimmberechtigten Polizeiführung, sondern vielmehr bei den Vertretern von SPD und CDU, die seiner Einschätzung nach nie Interesse zeigten, Polizeimaßnahmen im Beirat kritisch zu diskutieren. Der Bevölkerung blieb der Streit jahrelang verborgen, denn der Beirat tagt nicht öffentlich. Seine vom jeweiligen Stadtrat gewählten Mitglieder sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Daran hat sich Kurt Holl fünf Jahre lang gehalten. Im Stillen suchte der 55jährige etwas zu bewegen. Doch all seine Anträge zur Reform des Kölner Polizeigewahrsams, zum Datenschutz oder etwa zur polizeilichen „Weiterbenutzung von NS-Akten über Zigeuner“ wurden von der SPD/CDU- Mehrheit „entweder nicht auf die Tagesordnung gesetzt oder niedergestimmt“ (Holl). Irgendwann hatte es Holl satt. Während einer Pressekonferenz warf er den parlamentarischen Mitgliedern des Beirats Ende letzten Jahres „absolutes Versagen“ vor. Das Gremium ignoriere selbst die wenigen existierenden gesetzlichen Möglichkeiten und verhindere „systematisch“ jede Aufklärung.

Die Polizeibeiräte sind eine Hinterlassenschaft der britischen Besatzungsmacht. Als die Polizei 1953 von den kommunalen Behörden in die Hoheit des Landes überging, wurden die von den Briten eingesetzten kommunalen Polizeiausschüsse durch die mit wesentlich weniger Kompetenzen ausgestatteten Polizeibeiräte ersetzt. Holl fordert nun, im Verein mit kritischen Polizisten und den Grünen, daß den Beiräten künftig ein effektiveres Beschwerde-, Mitsprache- und Kontrollrecht eingeräumt wird. Am 10.12.93 wurde Holl auf Antrag der SPD-Mitglieder vom Beirat wegen seiner öffentlichen Äußerungen und seiner Weigerung, zu erklären, künftig die „absolute Verschwiegenheit“ zu wahren, ausgeschlossen. Selbst die von Holl geforderte Bürgerfragestunde, lehnten die Kölner Geheimniskrämer ab. Solche Bürgerbeteiligung hält dagegen sogar Düsseldorfs Innenminister Herbert Schnoor für „durchaus hilfreich“, um die „Beratungsfunktion des Polizeibeirates optimal wahrnehmen zu können“.

Dem Kölner Beiratsvorsitzenden Erich Schäfer (SPD) passen Fragestunden ebensowenig in den Kram wie Holls Bemühungen, den Polizeipressekonferenzen beiwohnen zu können. Zur Ablehnung dieses Wunsches bemüht Schäfer gern das Gesetz: „Wir haben kein Recht in Polizeipressekonferenzen zu gehen.“

Nun, das Kölner Amtsgericht urteilte da wesentlich differenzierter. Holl habe zwar keinen rechtlichen Anspruch auf Teilnahme, befand das Gericht, doch „ein ,moralischer‘ Anspruch ist auf jeden Fall gegeben. Denn wie soll ein Polizeibeirat seinen Aufgaben nachkommen, wenn die Polizei ihn von Pressekonferenzen fernhält, die der Kommunikation mit der Bevölkerung dienen“. Walter Jakobs