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Mildes Urteil für Doktor Theissen

■ Memminger Richter in der Revision im Rahmen des Möglichen moralisch verurteilt

Augsburg (taz) – Der einstige Memminger Frauenarzt Horst Theissen wurde von der achten Strafkammer des Landgerichts Augsburg zu einer Bewährungsstrafe von anderthalb Jahren verurteilt. Damit bleibt das Augsburger Gericht ein Jahr unter dem Strafmaß der Memminger Richter; eine Neuverhandlung war erforderlich, nachdem die Memminger Richter in zwanzig Fällen die Verjährungsfrist übersehen hatten. Ausdrücklich betonte der Vorsitzende Richter Hans-Rainer Schultz, daß der achten Strafkammer durch das Urteil des Bundesgerichtshofs nur ein sehr kleiner Entscheidungsspielraum geblieben sei.

Sehr wohl sei „das schwierige Spannungsfeld“ zwischen ärztlicher Pflicht und der Not von Patientinnen erkannt worden. Hoch angerechnet habe das Gericht dem Angeklagten (der weiter praktiziert), daß er sich sehr intensiv um die Beratung seiner Patientinnen gekümmert und ärztlich ausgesprochen gewissenhaft gehandelt habe. „Er war ein guter Arzt, und er war Vertrauter bedrängter Frauen, die sich in äußerst schwieriger Lage befunden haben“, sagte der Vorsitzende Richter. Außerdem habe Theissen immer wieder nochmaliges Nachdenken von den abbruchwilligen Frauen gefordert. Zur Kritik Theissens und seiner Anwälte an der neuen Gesetzeslage bezog die Kammer nicht Stellung. Das Horrorszenario eines zweiten Memmingen, so der Zweite Richter, sei aber nicht zu befürchten.

Gleichwohl hielt das Gericht mit seiner Kritik an den Memminger Kollegen nicht hinter dem Berg. Es habe sich da fraglos ein Stück Rechtsgeschichte abgespielt, das den Angeklagten auch persönlich schwer belastet habe. Allerdings: „Der Prozeß von Memmingen war sicher negativ, aber er war in gewisser Weise auch positiv, weil gedanklich große Veränderungen dadurch veranlaßt wurden. Es hat eine Veränderung gesellschaftlichen Denkens stattgefunden“ – so Richter Schultz.

Der „Unrechtskern“ der Tat sei allerdings geblieben – und der sei nun einmal strafrechtlich zu bewerten gewesen. Recht zu schaffen, sei nicht Aufgabe des Gerichts, sondern des Gesetzgebers. Horst Theissen hat, wie auch die Staatsanwaltschaft, noch im Gerichtssaal das Urteil akzeptiert, das damit rechtskräftig ist. Klaus Wittmann

Kommentar Seite 10

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