„Schlampig, träge, inkompetent“

■ Insassenvertretung Santa Fu: Harsche Kritik an Justizbehörde / Gewalttaten waren wegen falscher Belegungspolitik vorhersehbar   Von Sannah Koch

Ein Mord, der „beinahe schon überfällig“ war: Mit dieser rüden Kritik an der Hamburger Justizbehörde meldete sich gestern die Insassenvertretung aus Santa Fu zur Ermordung eines Mitgefangenen zu Wort. Der Häftling sei „Opfer der Trägheit, der Inkompetenz und der unglaublichen Schlamperei der Behörde“ geworden. Der 51jährige Dieter J. war am Mittwoch morgen tot in seiner Zelle gefunden worden – bereits tagsüber erschlagen, erdrosselt und erstochen, wie die Obduktion gestern ergab.

Angesichts des „aggressiv-chaotisch-verwahrlosten Binnenklimas“ in der Anstalt 2 sei diese Gewalttätigkeit für alle, die nicht den Kopf in den Sand steckten, vorhersehbar gewesen, moniert nun die Insassenvertretung. Eine wichtige Ursache für diese Zustände sehen die Gefangenen in der Belegungspolitik für die Haftanstalten, konkret in der Mischung von Kurz- und Langzeitinhaftierten in Santa Fu. Diese sei 1987 von Ex-Justizsenator Wolfgang Curilla eingeführt worden, mit dem Ziel „die Subkultur der Langzeitgefangenen aufzuweichen“.

Zuvor hatte – durch einen Staatsvertrag geregelt – Hamburg Langzeitgefangene aus Bremen und Schleswig-Holstein untergebracht, die Kurzzeitknackies wurden im Gegenzug in Bremen und Kiel inhaftiert. Seit der Kündigung des Vertrages, so die Insassenvertretung, sei es von den Hamburger Politikern versäumt worden, ein „praktizierbares Belegungskonzept“ zu erarbeiten.

Eine Trennung der Häftlinge mit kurzen und langen Strafen ist nach Ansicht vieler Gefangener für eine atmosphärische Verbesserung zwingend notwendig. Da der Knast für Langzeitinhaftierte über viele Jahre Lebensmittelpunkt sei, hätten diese in der Regel ein großes Interesse an der Ausgestaltung der Haft. Darüber hinaus bestehe für sie auch ein größerer Betreuungsbedarf. Wegen des hohen Arbeitsaufwandes durch Verlegungs- und Entlassungsvorbereitungen von Kurzzeitsträflern sei aber in den vergangenen Jahren kaum noch Zeit für deren Betreuung geblieben.

Herbe Kritik auch an der Drogenpolitik in der Anstalt – nach Erkenntnissen der Insassen ist Dieter J. nämlich wegen einer Drogenschuld von Mitgefangenen ermordet worden. Viele Insassen von Santa Fu sind Drogenkonsumenten, die Kurzzeitstrafen wegen Beschaffungskriminalität absitzen. „Abhängige gehören nicht in den geschlossenen Vollzug“, so die Insassensprecher. Zur Entspannung der Situation müsse sofort ein breitangelegtes Methadonprogramm im Knast realisiert und endlich auch die Ausgabe von Einwegspritzen zur Vermeidung von HIV-Infektionen realisiert werden.

Der neue Justizminister Klaus Hardraht äußerte gestern jedoch andere Ideen: Um die Hamburger Anstalten zur leeren, läßt er prüfen, ob Ausländer (nicht Asylbewerber), die wegen kleiner Delikte (Diebstahl etc.) verhaftet wurden, vorzeitig abgeschoben werden können. Auch will er diejenigen, die wegen nicht bezahlter Geldstrafen sitzen, statt dessen zu sozialen Arbeiten verdingen.